Luftangriffe auf Syrien sollen von innenpolitischer Krise in Israel ablenken

Stärke demonstrieren

Von Manfred Ziegler

Sanktionen, Dschihadisten in Idlib, türkische und US-Besetzung von Teilen des Landes – das steht dem Frieden in Syrien entgegen. Und immer wieder israelische Luftangriffe. Der vorerst letzte schwere Angriff am 20. November traf den Ort Beit Saber in der Nähe von Damaskus. In der Woche davor galt ein weiterer Angriff einem politischen Vertreter des Islamischen Dschihad, Akram al-Ajouri. Al-Ajouri überlebte, sein Sohn und seine Enkelin wurden bei dem Angriff getötet. Die Angriffe kamen wenige Tage, nachdem der neue israelische Verteidigungsminister Naftali Bennet sein Amt angetreten hatte.

Im September 2018 war ein russisches Flugzeug über Syrien abgeschossen worden – von der syrischen Luftabwehr. Israelische Kampfflugzeuge hatten bei ihrem Angriff auf Syrien das russische Flugzeug als Deckung benutzt und damit den Zwischenfall provoziert. Für die Russische Föderation war Israel damit zu weit gegangen.

Der Sprecher des Kreml, Dmitri Sergejewitsch Peskow, erklärte damals, die Beziehungen zwischen Russland und Israel würden damit beschädigt. Innerhalb von Wochen wurden relativ moderne russische Luftabwehrsysteme vom Typ S-300 in Syrien installiert. Der russische Verteidigungsminister erklärte, Satellitennavigation und Radarsystem würden gestört, um weitere Angriff zu erschweren. Doch galten die Maßnahmen vor allem der Sicherheit der russischen Truppen in Syrien. Tatsächlich hat Israel seine Angriffe auf Syrien in den folgenden Monaten – wenn überhaupt – nur bedingt reduziert.

Dem jetzigen Angriff auf Akram al-Ajouri folgte ein Raketenangriff vom syrischen Golan auf Israel. Vier Raketen wurde gestartet, die vom israelischen Abwehrsystem „Iron Dome“ abgeschossen wurden. Es folgte der israelische Angriff auf Damaskus, in dem von libanesischem Luftraum aus mindestens 18 Raketen abgeschossen wurden – elf davon trafen offenbar ihre Ziele.

Der stellvertretende russische Außen­minister Michail Bogdanow sagte, ein solcher Angriff widerspreche den Prinzipien des Völkerrechts und erhöhe nur unnötig die Spannungen. Und er fügte hinzu: „Wir stehen natürlich mit all unseren Partnern in Kontakt, um die Umstände aufzuklären.“

Die Russische Föderation strebt nach wie vor beste Beziehungen mit all ihren Partnern in der Region an. Eine irgendwie geartete militärische Aktion gegen israelische Angriffe ist damit ausgeschlossen. Da offenbar auch dem syrischen Militär untersagt ist, die S-300 gegen israelische Flugzeuge einzusetzen, träumt mancher Verantwortliche sogar davon, chinesische Systeme zu kaufen. In der Hoffnung, es gäbe dann weniger Restriktionen.

Offiziell gelten israelische Angriffe auf Syrien immer wieder „iranischen Einheiten“. Wer auch immer im Einzelnen von den Angriffen betroffen ist – die syrische Armee, Einheiten der Hisbollah oder auch iranische Berater: Es ist nicht zu übersehen, dass die Angriffe auf Syrien eine Rolle im israelischen Wahlkampf spielen. Militärische Stärke zu zeigen ist Kern des Wahlkampfs beider Lager, die in Israel zur Wahl stehen. Und nachdem auch die zweite Wahl innerhalb eines halben Jahres bisher kein Regierungsbündnis ermöglicht hat und womöglich ein dritter Wahlkampf bevorsteht, soll weiterhin „Stärke“ demonstriert werden. Für Netanjahu selbst ist das doppelt wichtig. Wegen diverser Anklagen steht seine Karriere auf der Kippe. Am Tag nach dem schweren Angriff auf Damaskus wurde er in drei Korruptionsfällen der Bestechung, des Betrugs und der Untreue angeklagt.

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"Stärke demonstrieren", UZ vom 29. November 2019



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