Friedrich Wolff zum 100. Geburtstag

Streiter für Antifaschismus und Gerechtigkeit

Ralph Dobrawa

Friedrich Wolff war es gewiss nicht in die Wiege gelegt, dass er einmal Rechtswissenschaften studieren und ein bekannter Anwalt werden würde. Als er am 30. Juli 1922 in Berlin als Sohn eines Arztes das Licht der Welt erblickte, war der Erste Weltkrieg gerade vier Jahre beendet, der Kaiser davongejagt und die Weimarer Republik errichtet. So wuchs der Junge zunächst ohne größere Sorgen auf.

Nach der Machtübertragung an den Hitlerfaschismus sollte sich dies ändern. Wolff ist jüdischer Abstammung – und den Antisemitismus bekam er dann auch schon einmal als Schüler zu spüren. Später gelang es ihm, nicht zu den Berliner Jüdinnen und Juden zu gehören, die vom berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald aus deportiert wurden. Studieren konnte er allerdings zunächst auch nicht. So musste er sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Arbeiter in einer Munitionsfabrik im wahrsten Sinne des Wortes „hinüberretten“ in eine neue Zeitepoche, die nach der Zerschlagung des Faschismus auch für ihn beginnen sollte.

Wolffs Ziel war es fortan, am Aufbau eines neuen, antifaschistischen und demokratischen Deutschland mitzuwirken. Ein zunächst an der Berliner Humboldt-Universität begonnenes Medizinstudium musste er aber alsbald abbrechen, weil er merkte, dass dies nicht seine Bestimmung war. Stattdessen studierte er von 1946 bis 1949 Rechtswissenschaften an derselben Alma Mater.

Bereits 1945 war der damals 23-Jährige der KPD beigetreten, weil er dort seine politische Heimat sah. Dieser Überzeugung ist er bis heute treu geblieben und gehörte folgerichtig der SED, der PDS und jetzt der Linkspartei an. Als junger Anwalt war er einer der Mitbegründer des Berliner Kollegiums der Rechtsanwälte und wurde 1954 dessen Vorsitzender. Welches Vertrauen er bei seinen Kolleginnen und Kollegen genoss, zeigt sich auch daran, dass er diese Funktion während der folgenden 16 Jahre ununterbrochen ausübte. Nach fast anderthalb Jahrzehnten Pause übernahm er dann in den 1980er-Jahren diese Aufgabe für längere Zeit noch einmal.

Vor allem als Strafverteidiger machte sich Wolff bereits in jungen Jahren einen Namen. So verteidigte er unter anderem Walter Janka, der als Chef des Aufbau Verlags angeklagt wurde. Jahrzehnte später hat sich dieser noch lobend über Wolffs Engagement in seinem Fall geäußert. Der überzeugte Kommunist Wolff wurde überdies mit – ganz sicher auch für ihn persönlich – reichlich heiklen Aufgaben betraut. So trug man ihm 1960 die Verteidigung des damaligen Bonner Ministers Theodor Oberländer an, gegen den vor dem Obersten Gericht der DDR wegen seiner Beteiligung an der Ermordung mehrere tausend sowjetischer Jüdinnen und Juden verhandelt wurde. Drei Jahre später wurde auch Hans Globke vor demselben Gericht der Prozess gemacht. Er hatte an einem maßgeblichen juristischen Kommentar zur Auslegung und Rechtfertigung der faschistischen Rassengesetze mitgewirkt und damit eine entscheidende Grundlage für die Verfolgung jüdischer Mitbürger geliefert. Erneut sollte Wolff auch in diesem Verfahren als Verteidiger agieren. Beide Prozesse fanden in Abwesenheit der jeweiligen Angeklagten statt und führten zu deren Verurteilung. Als im Frühjahr 1981 der bekannte Jurist Friedrich Karl Kaul überraschend verstarb, übernahm Wolff die Moderation von dessen Fernsehsendung zu Rechtsfragen des Alltags.

Nach der Annexion seines Staates durch die BRD setzte sehr schnell eine strafrechtliche Verfolgung von früheren hohen Funktionsträgern der DDR ein. Da Wolff nicht nur Popularität und Ansehen genoss, sondern auch großes Vertrauen in seine Tätigkeit bestand, übernahm er die Verteidigung unter anderem von Hermann Axen, Hans Modrow und Siegfried Lorenz. In besonderer Weise in Erinnerung werden ihn viele als einen der Verteidiger von Erich Honecker haben. Es ist auch seinem Einsatz zu verdanken, dass nach der Erkrankung Honeckers der Prozess nicht fortgeführt wurde und eingestellt werden musste.

Nach der Jahrtausendwende zog sich der engagierte Anwalt sukzessive aus dem Alltagsgeschäft zurück. Er wusste seine Kanzlei bei einer seiner Töchter, die ebenfalls als Anwältin tätig ist, in guten Händen. Für ihn bedeutete dies allerdings keineswegs den „Ruhestand“ – vielmehr entstanden in der Folge mehrere Bücher, darunter seine beruflichen Memoiren „Verlorene Prozesse“, „Einigkeit und Recht“, eine Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Justiz, „Ein Leben – viermal Deutschland“ und nicht zuletzt das zusammen mit Egon Krenz herausgebrachte Streitgespräch „Komm mir nicht mit Rechtsstaat“, welches erst im vergangenen Jahr erschien. Überdies ist Wolff Autor zahlreicher Artikel und Aufsätze. So bewahrte er sich stets ein reges Interesse an den Geschehnissen seiner Zeit.

Das scheint auch einer der Gründe dafür zu sein, dass er sich noch im hohen Alter guter Gesundheit erfreut. Jetzt wird er 100 Jahre alt. Vieles hat er miterlebt und ist seinen Überzeugungen stets treu geblieben. Und wer ihn näher kennt, weiß um seine Bescheidenheit – neben seiner Überzeugungskraft eine seiner stärksten Eigenschaften.
Alles Gute und Gesundheit für dich, lieber Fritz!

3011 Krenz Wolff Rechtsstaat - Streiter für Antifaschismus und Gerechtigkeit - Friedrich Wolff - Theorie & Geschichte


Komm mir nicht mit Rechtsstaat
Friedrich Wolff und Egon Krenz im Gespräch. 208 Seiten, 15,00 Euro
Erhältlich im UZ-Shop


Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Streiter für Antifaschismus und Gerechtigkeit", UZ vom 29. Juli 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit