Bundesregierung plant wirkungsloses Lobbyregister

Strippenzieher am Werk

Nur zur internen Verwendung“ – und gleich drei Ausrufezeichen dahinter. Der Gesetzentwurf zum „Lobbyregister“ vom 17. August ist dennoch an die Öffentlichkeit durchgesickert. Der von Rechtschreibfehlern strotzende Entwurf benennt in seinem Vorspann die Umstände, zu deren Vertuschung er dient. Da ist die Rede vom „Unbehagen der Öffentlichkeit“ und fortschreitendem Vertrauensverlust der Bevölkerung, der zusehends die „Legitimität parlamentarischer Entscheidungsprozesse“ beschädige. Dabei gehöre doch die Interessenvertretung „zu den Wesensmerkmalen eines demokratischen Staatswesens“. Um das schwindende Vertrauen wiederherzustellen, soll im Herbst ein „Lobbyregister“ eingeführt werden, in dem sich die „Interessenvertreter“, deren Tätigkeit auf den Bundestag und seine Fraktionen ausgerichtet ist, registrieren müssen.

Längst ist der Lobbyismus, also die direkte und indirekte Einflussnahme von Vertretern vornehmlich der Wirtschafts- und Industrieverbände, aus dem Gesetzgebungsverfahren nicht mehr wegzudenken. Ende 2019 waren knapp 800 Lobbyisten (mehr als der Bundestag Abgeordnete aufweist) mit Hausausweisen für den Bundestag ausgestattet, weitere circa 5.000 Zuarbeiter sitzen in den Beratungsfirmen, die im unmittelbaren Einzugsbereich des Parlaments ihren Sitz haben. Der Reinhardtstraße, die in der Nähe des Regierungsviertels liegt, hat das bereits den ironisch-inoffiziellen Beinamen „Lobbypromenade“ eingebracht.

Am Entwurf zur Einführung des „Lobbyregisters“ fällt auf, dass sorgsam eine Registrierungspflicht gerade für jenen Bereich ausgespart ist, in dem die später im Parlament beratenen Gesetzesvorlagen tatsächlich konzipiert werden: den Bundesministerien nämlich. Hier setzt die Arbeit der Lobbyisten, die sich lieber „Berater“ nennen, an. Bevor der Text eines Gesetzentwurfes „steht“, verschickt die Bundesregierung an von ihr ausgewählte Verbände erste Vorentwürfe und holt Stellungnahmen ein (Verbandsanhörung gemäß Paragraf 47 der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien – GGO“). Unabhängig davon finden Arbeitstreffen auf Ministerialebene mit Verbandsvertretern statt, um die der Mantel des Schweigens gehüllt wird – außer man stolpert über die eigene Unachtsamkeit.

Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, versandte der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) – der zusammen mit seinem Kollegen, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor, für die US-Softwarefirma „Augustus Intelligence“ (AI) werbend tätig war –, am 3. September 2019 an die Bundeskanzlerin folgende E-Mail: „Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, danke für das gute Gespräch heute! Eine Freude, Dich so guter Dinge zu sehen. Hier die Adresse der beiden jungen A. I. Herren der Firma Augustus Inc. Herzlichst, stets Dein Karl-Theodor.“ Personelle Kontakte ausnutzen, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Die Werbebotschaft eines der „Big Player“ unter den Berliner Wirtschaftslobbyisten, der „WMP EUROCOM AG“, illustriert, worauf es ankommt: „Wir wissen, wie wir unseren Kunden eine faire Chance auf Gehör verschaffen – weil viele unserer Kolleginnen und Kollegen über viele Jahre selbst an entscheidenden Stellen von Wirtschaft, Medien und Politik Verantwortung getragen haben.“ Am effektivsten ist die Lobbyarbeit dann, wenn Gesetzes- und Verordnungstexte gleich aus der Feder derjenigen stammen, die anschließend von ebendieser Regelung profitieren. Auf Ebene der Europäischen Union kennt man das bereits: Wie die Internetplattform „Lobbyplag.eu“ aufgedeckt hat, tauchen wortidentische Passagen aus Stellungnahmen von Lobbyisten in EU-Beschlüssen auf. So übernahm die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) bei der Glyphosat-Zulassung nahezu 100 Seiten aus einem vom Hersteller Monsanto lancierten und bezahlten Gutachten. Deutschland steht nicht zurück: Vor zwei Jahren erfuhr die Öffentlichkeit aus einer Recherche des Bundesrechnungshofs, dass das „Gesetz zur Förderung von E-Mobilität“ nicht unwesentlich auf Textbausteinen der Autolobby fußt.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Strippenzieher am Werk", UZ vom 4. September 2020



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