Donald Trump versucht, Russland mit der Drohung zu erpressen, „Tomahawk“-Marschflugkörper an Kiew zu liefern. Die Geschosse fliegen bis zu 2.500 Kilometer weit und wurden als see-, luft- und landgestützte Varianten gebaut. Der US-Präsident hatte am 6. Oktober erklärt, er habe zur Lieferung eine Entscheidung gefällt, erläuterte aber nicht, welche. Am Montag dieser Woche bestätigten er und der ukrainische Präsident Wladimir Selenski, dass sie sich an diesem Freitag in Washington treffen werden. Trump antwortete auf die entsprechende Frage einer Journalistin an Bord seines Flugzeugs auf dem Weg von Ägypten in die USA. Selenski schrieb auf „Telegram“, „Hauptthema des Besuchs“ seien „Flugabwehr und unsere Fähigkeiten für weitreichende Angriffe, um Druck auf Russland für Frieden auszuüben“. Er werde Trump die nächsten Schritte vorschlagen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte auf den Schwenk in der US-Haltung gelassen, aber entschieden reagiert. Bei einer Pressekonferenz am Freitag in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, wo ein Gipfeltreffen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) stattfand, erklärte er zunächst: „Ich denke, wir werden in naher Zukunft die Gelegenheit haben, einige Neuigkeiten über eine neue Waffe zu verkünden, die wir vor langer Zeit angekündigt haben.“ Das neuartige System werde „derzeit Tests unterzogen, die erfolgreich verlaufen“. Er äußerte sich zugleich optimistisch zu den Aussichten für eine Verlängerung des New-START-Vertrags zur Rüstungskontrolle, der am 5. Februar 2026 ausläuft. Auf jeden Fall fühle sich Russland angesichts der „Neuartigkeit“ seiner nuklearen Abschreckungsmittel und deren ständiger Verbesserung sicher. Der Entwicklungsstand des nuklearen Arsenals seines Landes sei weltweit unübertroffen. Die Frage eines Journalisten, ob die mögliche Absicht Selenskis, den Kreml in Moskau mit „Tomahawk“ anzugreifen, „Erpressung oder Prahlerei“ sei, beantwortete Putin mit „Prahlerei“. Die Antwort Russlands werde in einer Stärkung seiner Flugabwehr bestehen. In der Woche zuvor hatte Putin allerdings beim jährlichen Waldai-Diskussionsforum in Sotschi darauf hingewiesen, dass ein „Tomahawk“-Einsatz ohne die direkte Beteiligung amerikanischen Militärpersonals unmöglich sei. Er warnte, dass „dies eine völlig neue, qualitativ neue Eskalationsstufe, auch in den Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten, bedeuten würde“.
Trump ließ von seinen Drohungen nach Putins Erklärung in Duschanbe nicht ab. An Bord der in den Nahen Osten fliegenden Regierungsmaschine Air Force One sagte er in der Nacht zum Montag zu Journalisten, er könne den Russen sagen: „Hört mal, wenn dieser Krieg nicht beendet wird, werde ich ihnen ‚Tomahawks‘ schicken.“ Er räumte zugleich ein, dass dies ein „Schritt der Aggression“ sei. Am Montagvormittag schrieb daraufhin der Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, auf „Telegram“ unter Bezug auf Trumps Satz, wenn Putin den Ukraine-Krieg nicht löse, „wird das böse für ihn enden“: „Hundertmal wurde, selbst für den Star-Spangled Man verständlich, gesagt, dass man eine nukleare ‚Tomahawk‘-Rakete im Flug nicht von einer konventionellen unterscheiden kann. Nicht Banderas Kiew wird sie abfeuern, sondern die Vereinigten Staaten.“
Am selben Tag zitierte die Londoner „Financial Times“ einen US-Experten, der erklärte, die USA könnten der Ukraine aufgrund begrenzter Lagerbestände nur 20 bis 50 Tomahawk-Raketen liefern. Das werde nicht ausreichen, um eine strategische Wende im Krieg herbeizuführen. Wie viele „Tomahawk“ überhaupt zur Verfügung stehen, wollte das Pentagon auf Nachfrage der Zeitung nicht mitteilen.
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, versuchte am Dienstag die in Russland heftig geführte Debatte über die Drohungen Trumps zu beruhigen. Er erklärte bei seinem täglichen Pressebriefing: „Warten wir die Aussagen ab, hören wir sie uns an und analysieren wir sie.“ Gegenwärtig gebe es nur Zeitungsberichte und die Bestätigung, dass sich Trump und Selenski treffen. Peskow: „Wir werden die Ergebnisse abwarten.“