Vor 80 Jahren wurde der Weltbund der Demokratischen Jugend gegründet

Unser Glück auf dem Frieden beruht

Am 10. November 1945, ein halbes Jahr nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus, trafen sich Jugendliche aus 63 Ländern in London, um den Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) zu gründen. Den Anstoß dazu hatte ein Weltjugendrat gegeben. Er war noch während des Krieges von Jugendorganisationen aus Ländern der Anti-Hitler-Koalition gebildet worden, um die junge Generation in den antifaschistischen Kampf einzureihen. Im Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Aggressionsarmee in Europa beendet worden. Im Juni wurden in San Francisco die Vereinten Nationen gegründet. Im Folgemonat stellten die Siegermächte in Potsdam Weichen für die Zukunft Deutschlands. Nazi-Führer, sofern sie sich nicht durch Suizid der Verantwortung für ihre Verbrechen entzogen hatten, waren in Haft und warteten auf ihren Prozess, der vier Tage nach Gründung des WBDJ in Nürnberg eröffnet wurde. Im August fielen die US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki – ein barbarischer Feldversuch, um diese neue Waffe als Druckmittel im sich abzeichnenden Kalten Krieg zu erproben.

Das Gründungsdatum des WBDJ lag in einer Zeit, in der aller Welt noch die Opfer und Verheerungen des faschistischen Raubkrieges vor Augen standen. Allein die So­wjet­union als Hauptkraft der Anti-Hitler-Koalition hatte 27 Millionen Tote zu beklagen. In den Konzentrationslagern waren über 11 Millionen Menschen ermordet worden. Städte und Landstriche waren verwüstet. Dessen eingedenk einten Sehnsucht nach künftigem Frieden und der Wille zu demokratischem Aufbruch die Völker und ihre jungen Generationen sehr stark. Dass sich bereits neue Gefährdungen am Welthorizont abzeichneten, machte es umso dringlicher, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen und die Einheit im Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu bewahren.

Junge deutsche Antifaschisten als Beobachter

Dieser Geist beherrschte die erste Weltkonferenz der Jugend in London, die am 31. Oktober 1945 begann und zehn Tage später mit der Gründung des WBDJ beendet wurde. Die 473 Delegierten, insgesamt 30 Millionen junge Menschen vertretend, votierten für eine Organisation, die in der Geschichte der internationalen Jugendbewegung eine neue Seite aufschlug. Jugendliche verschiedener politischer Richtungen, weltanschaulicher Orientierungen, sozialer Herkunft und unterschiedlicher Hautfarbe hatten sich für die Verteidigung ihrer Hauptinteressen zusammengeschlossen. Zum Vorsitzenden des Rates des WBDJ wurde der Franzose Guy de Boisson gewählt. An der Konferenz nahm auch eine Delegation von sechs jungen deutschen Antifaschisten unter Leitung von Horst Brasch als Beobachter teil. Ferner durfte aus Deutschland ein Mitglied des zentralen Antifaschistischen Jugendausschusses im Rat des WBDJ als Beobachter mitwirken. Die später gegründete Freie Deutsche Jugend wurde 1948 in den Weltbund aufgenommen.

Das Gelöbnis, das die Konferenzteilnehmer auf einer öffentlichen Kundgebung in London sprachen, klingt wie ein kühner Traum, der sich in den folgenden Jahrzehnten teilweise erfüllen, jedoch immer wieder auf erbitterten Widerstand der imperialistischen Mächte stoßen sollte: Alle Überreste des Faschismus von der Erde zu tilgen, eine tiefe und ehrliche internationale Freundschaft aller Völker der Welt zu fördern, einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erhalten, Not und erzwungene Betätigungslosigkeit auszumerzen. Wie viel sich von diesem Vermächtnis erfüllen ließ, zeigt ein Blick in die Geschichte. Es ganz einzulösen bleibt eine humanistische Aufgabe.

Kraftquell Weltfestspiele

img774 - Unser Glück auf dem Frieden beruht - 80. Jahrestag, Antifaschismus, Berlin, Internationale Jugend, WBDJ, Weltfestspiele der Jugend und Studierenden, Weltkonferenz der Jugend, X. Weltfestspiele - Hintergrund
Bei den Weltfestspielen in Havanna 1978 übergeben die Jungen Pioniere 40.000 D-Mark an den ANC für den Kampf gegen die Apartheid. (Foto: UZ-Archiv)

Unter den vielen Aktionen des WBDJ, Jugendliche aus aller Welt um dieses Ziel zu vereinen, gehören die Weltfestspiele zu den prägendsten. Gemeinsam mit dem fast zeitgleich gegründeten Internationalen Studentenbund (ISB) sowie einem breiten Spektrum der demokratischen Jugend- und Studentenbewegung organisiert, setzten die Weltfestspiele unüberhörbare politische Zeitzeichen und waren zugleich für Teilnehmer wie Gastgeber unvergessliche emotionale Erlebnisse. Ich habe unverlierbare Erinnerungen an die Festivals in Sofia, Berlin, Havanna, Moskau und Pjöngjang. Wenn ich sie hervorrufe, sind sie wie Klammern um die Weltdinge, die sich zu jenen Zeiten ereigneten. Auch habe ich das Weltjugendlied im Ohr, das Lew Oschanin und Anatoli Nowikow zu den I. Weltfestspielen 1947 in Prag geschrieben hatten und dessen Hymnus mir bis heute stark und unverbraucht erscheint: „Jugend aller Nationen / uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut. / Wo auch immer wir wohnen, / unser Glück auf dem Frieden beruht. / In den düsteren Jahren / haben wir es erfahren: / Arm war das Leben. / Wir aber geben / Hoffnung der müden Welt.“

Besonders wach sind meine Erinnerungen an die X. Weltfestspiele 1973 in der DDR-Hauptstadt Berlin. Nicht nur, weil ich mit Reinhold Andert dafür das Lied „Wir sind überall“ geschrieben hatte und mich hier mit besonderem Inte­resse auf meine bevorstehenden Aufgaben in der internationalen Arbeit der FDJ vorbereitete, sondern weil ich mein Berlin so herrlich bunt und aufgeregt noch nie erlebt hatte. 1971 war auf der Exekutivtagung des WBDJ in Valparaiso, abgehalten noch im freien Chile der Unidad Popular, beschlossen worden, Berlin als Austragungsort für die X. vorzuschlagen. Das Internationale Vorbereitungskomitee (IVK) war dem gefolgt, und Berlin wurde nach den III. Weltfestspielen (1951) zum zweiten Mal Festivalort. Die Entscheidung war in einer Zeit fortgeschrittener internationaler Anerkennung der DDR und beachtlicher Aufbauerfolge des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden gefallen. Sie war eine Geste der Solidarität, vertraute aber auch auf eine zuverlässige Organisation des Festivals, dessen Teilnehmerbreite so groß sein würde wie nie zuvor. Unter der Losung „Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft“ begrüßte WBDJ-Präsident Roberto Viezzi im Stadion der Weltjugend über 25.500 Delegierte aus 140 Ländern, die 1.700 nationale sowie 18 internationale Jugend- und Studentenorganisationen vertraten. An den neun Festivaltagen trafen sie sich mit einer halben Million Jugendlichen aus der DDR. Damit wurden die X. Weltfestspiele zur damals größten antiimperialistischen Versammlung der Jugend weltweit. Unvergesslich, wie die kleine Vo Thi Lien, die die US-Mordattacke in Son My überlebt hatte, nun mit dem Abgesandten des siegreichen Vietnam ins Stadion marschierte. Mit fotografischer Präzision erinnere ich mich an die Anwesenheit der freigekämpften Angela Davis oder des PLO-Repräsentanten Jassir Arafat. Im Ohr noch die Lieder der chilenischen Gruppe „Inti Illimani“. Später wussten wir, dass ihr Aufenthalt in Europa sie vor dem Schicksal des von der Pinochet-Junta ermordeten Sängers Victor Jara bewahrt hatte. Die Buntheit des Festivals lebte von über 1.500 Veranstaltungen, die sieben Millionen Menschen besuchten. Zu den organisierten Events, ich denke gern an die Sonderausgabe des Festivals des politischen Liedes (kurz PLX genannt), kam noch die Vielzahl an spontanen Treffs und Performances. Das alles stand zu Buche, als Angela Davis im „Ruf an die Jugend der Welt“ der Euphorie des Festivals die Warnung beigab: „Wir kennen den Imperialismus. Deshalb werden wir unsere Aktionen und unseren Kampf verstärken.“

Weitergehen – solidarisch und selbstbewusst

Hatte die FDJ die Wahl der DDR als Austragungsort der X. Weltfestspiele als ein Zeichen der Solidarität verstanden, so schlug sie mit derselben Absicht Havanna als Metropole der XI. vor. Wir sahen die logistischen Schwierigkeiten voraus, die die embargogeschwächte Wirtschaft Kubas haben würde. Allein die knappen Transportmöglichkeiten in der Hauptstadt, dazu der An- und Abtransport Tausender ausländischer Festivalteilnehmer, ihre Unterbringung und Verpflegung – all das würde der DDR wie anderen sozialistischen Ländern eine umfangreiche materielle Hilfe abverlangen. Aber das sollte solidarisch eingebucht sein, wenn doch die wunderbare Vision bestach, ein antiimperialistisches Festival vor der Haustür des angemaßten US-Weltgendarmen als pfiffige Ohrfeige zu platzieren. Der Plan ging auf, das Festival setzte genau dieses Zeichen, und Havanna gab nicht ohne Stolz die Festivalstafette weiter.

Die Wirksamkeit des WBDJ, der zum Zeitpunkt des X. Festivals über 200 Mitgliedsorganisationen in 103 Ländern hatte, allein auf die Welt-Events zu legen, hieße, seine regionale und lokale Bedeutung zu übersehen. In den Kämpfen gegen Krieg und Ausbeutung, gegen Kolonialismus, Neokolonialismus und Apartheid, für die Rechte der Jugend war er stets Impulsgeber und Beistand. Imperialistische Kreise, die im Frost des Kalten Krieges alsbald ihre Gegenorganisation in Stellung brachten, hefteten dem WBDJ gern das Etikett der Moskauhörigkeit an. Tatsächlich hat die Gemeinschaft der sozialistischen Länder die Arbeit des Weltbundes tatkräftig unterstützt. Das aber lag an der Übereinstimmung ihrer grundsätzlichen politischen und humanen Werte – der Friedenssicherung, der Forcierung des sozialen Fortschritts. Ungeachtet imperialistischer Schmähungen war die aktive Rolle des WBDJ im UNO-System sowie bei der Zusammenarbeit der relevanten internationalen Jugend-NGOs stets anerkannt. Freilich brachte der Zerfall der sozialistischen Staatengemeinschaft in Europa den WBDJ um eine wichtige Unterstützung. Aber der Weltbund lebte fort und findet auch heute in kompliziertem Fahrwasser seinen aufrechten Kurs in der internationalen Jugendbewegung. Das ist gut so, denn der Londoner Schwur, mit so großer Hoffnung auf den Ruinen eines Weltinfernos geleistet, ist noch unerledigt.

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"Unser Glück auf dem Frieden beruht", UZ vom 26. Dezember 2025



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