Noch mitten im Trubel des Jahres, zwischen Friedens- und Palästina-Demos, Sitzungen, Infoständen und Aktionen wird es Zeit, an die Zukunft zu denken. Nicht mit Sorge angesichts der Weltlage, der Wehrpflicht und des Sozialabbaus, sondern fast ein wenig profan. Es wird Zeit für einen neuen Kalender. Denn wo soll man sie sonst eintragen, die geplanten Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag, die Demos gegen die Pläne, mit denen unsere Kinder zu Kanonenfutter gemacht werden sollen, und wo soll man sich sonst das letzte Augustwochenende freihalten? Denn vom 28. bis 30. August 2026 werden die UZ-Friedenstage stattfinden. Lasst Platz, an den Eintrag müsst ihr nochmal ran, denn der Ort steht noch nicht ganz fest.
Für alle, die noch auf der Suche nach einem vernünftigen Kalender sind, haben Florence Hervé und Melanie Stitz etwas vorbereitet. Die beiden sind seit vielen Jahren Herausgeberinnen des Kalenders „Wir Frauen“. Der kommt auch in diesem Jahr mit einem festen Einband daher, innen mit einem Kalendarium, Platz für Adressen und Notizen und einem Menstruationskalender – alles, was man braucht – und passt in jede Handtasche.

Aber „Wir Frauen“ hat mehr zu bieten. Geburtstage von bekannten und weniger bekannten Frauen, Künstlerinnen, Widerstandskämpferinnen, Umweltschützerinnen und Kämpferinnen für ihre Rechte und für den Frieden zieren fast jeden Tag, alle machen neugierig darauf, mehr zu erfahren über Leben und Wirken dieser Frauen. In mehreren kurzen Texten wird sich einigen Frauen oder Frauenprojekten genähert. So schreibt Cristina Fischer etwa über Hildegard Jadamowitz. Die Widerstandskämpferin, die früh im Kommunistischen Jugendverband in Neukölln und der Roten Hilfe aktiv wurde, war unter anderem an antifaschistischen Schulungen beteiligt und nutzte ihre Arbeit in einer Arztpraxis, um Genossinnen und Genossen mit Attesten und Medikamenten zu versorgen. Ein Anschlag der Gruppe, in der sie Mitglied war, auf die Hetzausstellung „Das Sowjetparadies“ richtete kaum Schaden an. Trotzdem wurde Hildegard Jadamowitz zum Tode verurteilt und am 18. August 1942 in Berlin hingerichtet.
Und wer kennt zum Beispiel, gerade von den männlichen Lesern dieses Textes, den Matilda-Effekt? Damit bezeichnet man, wenn wissenschaftliche Beiträge von Frauen ihren männlichen Kollegen zugeschrieben werden. Benannt wurde das Phänomen nach der US-amerikanischen Frauenrechtlerin Matilda Joslyn Gage, die es zuerst beschrieb. In „Wir Frauen“ schreibt Klara Schneider über einen besonders perfiden Fall von Matilda-Effekt. Jeder, der schon mal eine US-amerikanische Krankenhausserie oder einen Krimi gesehen hat, kennt das „Rape Kit“, mit dem in den USA forensische Beweise bei Vergewaltigungen gesammelt und teilweise verwahrt werden, bis das Opfer zu einer Anzeige bereit ist. Die Juristin und Frauenrechtsaktivistin Martha Goddard machte sich auf die Suche nach den Ursachen für die schlechte juristische Verfolgung von Sexualverbrechen. Was sie herausfand, war so schlicht wie erschütternd: Ohne standardisierte Beweissicherung bleibt es bei Aussage gegen Aussage, es gibt kaum Chancen auf Strafverfolgung. Also entwickelte Goddard das „Rape Kit“. Damit es von der Polizei akzeptiert wurde, stimmte Goddard zu, ihren Namen nicht im Projekt auftauchen zu lassen – und ein Mann schmückte sich mit ihren Federn. Offiziell heißt das „Rape Kit“ „Vitullo Evidence Collection Kit“ nach Louis Vitullo.
„Wir Frauen“ bietet noch viele weitere Texte über Frauen und feministische Projekte, zudem ein Lexikon zu Juristinnen für Frauen- und Menschenrechte. Damit liefert der Kalender nicht nur viele Anregungen, sich mit widerständigen und -spenstigen Frauen zu beschäftigen, sondern macht auch Mut für vieles, was vor uns liegt. Zudem muss man mit diesem treuen Begleiter in der Tasche die Verspätung der U- oder S-Bahn nicht fürchten. Man findet Interessantes zu lesen.
Wir Frauen
Kalender 2026
PapyRossa Verlag, 14,90 Euro
Erhältlich im UZ-Shop