Der „Wir Frauen“-Kalender für das Jahr 2024

Von Mut und Freundinnen

Schon wieder eine Menge Termine fürs nächste Jahr angesammelt? Zumindest für Januar stehen der politische Jahresauftakt der DKP und die Rosa-Luxemburg-Konferenz der „jungen Welt“ am 13. Januar im Berliner Tempodrom und die Demonstration zu den Gräbern von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg hoffentlich schon fest in euren mentalen Kalendern. Die Zeiten verlangen nach einer großen Demonstration für den Frieden.

Sich in den Zeiten von „Zeitenwende“, „bedingungsloser Solidarität“, überschrittenen roten Linien und Russenhass als neuer Staatsräson für Frieden einzusetzen, erfordert Mut. Das dachten sich auch Florence Hervé, Melanie Stitz und Mechthilde Vahsen, die Macherinnen des „Wir Frauen“-Kalenders, und widmen die Ausgabe 2024 mutigen Frauen. Versammelt haben sie wieder einmal bekannte und weniger bekannte Frauen aus älterer und jüngerer Geschichte. Da ist zum Beispiel die US-amerikanische Kommunistin, Frauen- und Bürgerrechtlerin Angela Davis, die einst die FBI-Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA zierte, unter anderem, weil sie den „gefängnisindustriellen Komplex“ in den USA anprangerte, und deren Leben nur durch eine weltweite Solidaritätskampagne gerettet werden konnte. Oder die Résistance-Kämpferin Madeleine Riffaud, der Florence Hervé zum 100. Geburtstag gratuliert: 1942 schloss sie sich mit 18 Jahren der Résistance an, besorgte Essenmarken, übermittelte Nachrichten und schmuggelte Waffen. Sie griff selbst zur Waffe, erschoss einen Nazi-Unteroffizier in Paris, um zu zeigen, dass Massaker an der Zivilbevölkerung nicht duldsam hingenommen werden. Sie wurde verhaftet, von französischer Miliz und der Gestapo gefoltert. Verraten hat sie niemanden. In Ravensbrück sollte sie hingerichtet werden, gelangte aber durch einen Gefangenenaustausch des Roten Kreuzes zurück nach Paris. Nach nur 36 Stunden Erholung im Krankenhaus stand sie wieder im Kampf. Sie befehligte die Partisanen, die die Kaserne Place de la République einnahmen. Auch nach dem Sieg über den Faschismus stellte sich Madeleine weiter auf die Seite der Unterdrückten und berichtete als Journalistin etwa aus Nordvietnam oder dem Algerienkrieg. Und der Kalender erinnert an Sophie Freud, die jüngste Enkelin des Begründers der Psychoanalyse. Sie war die Pionierin der feministischen Sozialwissenschaft, untersuchte patriarchale Rollenbilder und half Frauen, sich aus ihnen zu befreien.

Der Kalender bietet zusätzlich jede Menge kurze Informationen zu Frauen aus Literatur, Politik, Kunst und allerlei mehr, Kurzartikel zu Themen wie dem Recht auf reproduktive Selbstbestimmung oder indigene Klimaschützerinnen, einen Adressteil, einen Menstruationskalender und ein „Lexikon der Frauenfreundschaften“. Freundschaft ist, so die Schriftstellerin Mary McCarthy, „ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen“. Im Kalender erfahren Leserinnen etwas über den gemeinsamen Weg von McCarthy mit Hannah Arendt, von Simone de Beauvoir mit Elisabeth Lacoin, von Alexandra Kollontai und Clara Zetkin oder von Annemarie Schwarzenbach und Erika Mann. Über die Freundschaft von Anna Seghers und Lore Wolf erfahren wir, dass sie sich 1935 auf dem „Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur“ kennenlernten. Lore Wolf wurde 1940 von der Gestapo in Paris verhaftet und als Kommunistin zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Nazis wollten vor allem von ihr wissen, wo sich Anna Seghers befindet. Lore verriet ihre Freundin nicht. Sie blieben eng verbunden bis zu Anna Seghers’ Tod 1983.

In diesen Zeiten, so merkt man beim Lesen, brauchen wir nicht nur unseren eigenen Mut. Wir brauchen auch mutige Freundinnen. Und mutige Freunde schaden auch nicht.


Wir Frauen 2024
Herausgegeben von Florence Hervé, Melanie Stitz und Mechthilde Vahsen
PapyRossa Verlag, 12,90 Euro
Erhältlich im UZ-Shop


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Über die Autorin

Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.

Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die „Position“, dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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"Von Mut und Freundinnen", UZ vom 20. Oktober 2023



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