Beate Landefeld zur Strategie des antimonopolistischen Kampfes

Zu einigen Streitfragen

Von Beate Landefeld

Der heutige Kapitalismus der reichen Länder ist staatsmonopolistischer Kapitalismus (SMK). Etwa 70 Prozent der global agierenden Konzerne kommen aus wenigen imperialistischen Hauptmächten, zu denen die Bundesrepublik zählt. Das Kapital der BRD ist monopolistisch strukturiert. 2015 erwirtschafteten von den 3,4 Millionen Unternehmen 0,44 Prozent (ca. 15 000) über 65 Prozent der Umsätze. 99,56 Prozent erarbeiteten 35 Prozent. Hochkonzentriert sind auch Vermögen und Reichtum: Dem oberen 1 Prozent gehören 33 Prozent des Vermögens, 10 Prozent besitzen 60 Prozent, die untere Hälfte nur 2,5 Prozent. Reichtum und Betriebsvermögen konzentrieren sich am stärksten an der Spitze. Für eine antikapitalistische Strategie bedeutet die Konzentration und Zentralisation dreierlei:

Erstens: Ohne die politische und ökonomische Entmachtung von Monopolbourgeoisie und Finanzoligarchie lässt sich der Kapitalismus nicht überwinden. Das Monopol ist das im Imperialismus prägende Macht- und Herrschaftsverhältnis. Es verkörpert die höchste Stufe der Vergesellschaftung, die unter der Herrschaft des Privateigentums möglich ist.

Zweitens: Die Verstaatlichung der 0,44 Prozent Großkonzerne und Großbanken durch eine revolutionär-demokratische Staatsmacht käme der Eroberung der entscheidenden Kommandohöhen der Wirtschaft durch die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten gleich, da die übrige Wirtschaft in hohem Maß von den Monopolen abhängt. Deshalb ist die ökonomische Struktur des SMK, wie Lenin formulierte, die „materielle Vorbereitung des Sozialismus, seine unmittelbare Vorstufe“ und gibt es „zwischen dieser Stufe und derjenigen, die Sozialismus heißt, keinerlei Zwischenstufen mehr“ (LW 25, S. 368). Diese Aussagen Lenins beziehen sich auf die ökonomische Struktur (= materielle Basis).

Zwischenstufen und Kampfetappen

Davon zu unterscheiden sind erforderliche Kampfetappen, die sich auf die politischen Kräfteverhältnisse (= Überbau) beziehen. So führte Lenin über die politischen Etappen der Revolution in Russland aus: „Ein ‚entscheidender Sieg über den Zarismus‘ ist die revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft … Doch selbstverständlich wird das keine sozialistische, sondern eine demokratische Diktatur sein. Sie wird (ohne eine ganze Reihe von Zwischenstufen der revolutionären Entwicklung) nicht imstande sein, die Grundlagen des Kapitalismus anzutasten.“ (LW 9, S. 43)

Drittens: Die Monopolbourgeoisie der BRD stellt etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung. Sie herrscht nicht nur mittels Gewalt, sondern auch durch die ständige Organisierung des Konsenses eines genügend großen Teils der Bevölkerung mit der Politik im Monopolinteresse. Bürgerliche Parteien, rechte SPD-Führung, vielfältige Verbände und Einrichtungen des politischen Überbaus organisieren diesen Konsens durch die Methode des „Teile und herrsche“, durch Zugeständnisse, durch den „stummen Zwang der Verhältnisse“ und durch offene Repression. Dagegen sind wir bestrebt, im Kampf um Frieden, Demokratie und soziale Rechte so viele Lohnabhängige und andere soziale Kräfte wie nur möglich gegen das große Kapital zu mobilisieren und zu organisieren, wie dies im Kampf gegen TTIP ansatzweise gelang, wie es im Kampf um ein besseres Gesundheitswesen gelingen könnte. Die antimonopolistische Stoßrichtung leitet sich aus den Machtverhältnissen im SMK und dem sozialistischen Ziel ab. Sie lenkt den Blick auf die reale Macht im Lande, gegen die die Kräfte konzentriert werden müssen.

Beim Bündnis der Arbeiterklasse mit nichtmonopolistischen Klassen und Schichten geht es vor allem um die Intelligenz und die Mittelschichten im Kultur-, Bildungs- und Gesundheitssektor. Ein Lieblingsthema der Kritik ist jedoch die „nichtmonopolistische Bourgeoisie“. In der Tat sind 99,56 Prozent der Unternehmen kleine und mittlere. Anders als die Monopole sind sie keine unmittelbare Vorstufe des Sozialismus. Es bedarf spezifischer Übergänge, um sie in die Vergesellschaftung einzugliedern.

Den Kleinunternehmen (97,32 Prozent der Unternehmen) hätte eine proletarisch geführte Staatsmacht die massive Förderung von Kooperativen, Genossenschaften, Gemeinschafts-Praxen und anderen Formen der Kooperation zu bieten.

Mittlere Unternehmen (2,24 Prozent der Betriebe) sind heute meist monopolabhängig. Bei Enteignung der Monopole wären sie von der proletarisch geführten Staatsmacht abhängig, an die gegebenenfalls auch Beteiligungen der Monopole fielen. Die Privateigentümer stünden vor der Wahl zwischen Kooperation und Sabotage. Je nach Wahl würde sich ihr Verhältnis zur Staatsmacht differenziert gestalten. In der DDR gab es mittelständische Betriebe mit staatlicher Beteiligung bis in die 1970er.

52 Prozent der Unternehmen sind Ein-Personen-Betriebe ohne fremde Arbeitskraft. Darunter sind Gutverdiener und viele mit einem Auskommen. Ein großer Teil dürfte jedoch durch Ausgliederungen, Erwerbslosigkeit, Prekarisierung, Digitalisierung in die „Selbstständigkeit“ gedrängt worden sein. Dieses Segment überschneidet sich mit der Arbeiterklasse. Zugleich gibt es in den Betrieben den Übergang von Teilen akademisch gebildeter Mittelschichten in die Arbeiterklasse. Von Beginn an sind in jeden Prozess der politischen Formierung der Arbeiterklasse benachbarte Schichten involviert, vom Kampf um die Hegemonie in der Gesellschaft gar nicht erst zu reden.

Antimonopolistische Orientierung und Klassenbewusstsein

Einige fürchten, die antimonopolistische Orientierung hemme die Bildung von Klassenbewusstsein. Dieses entstehe im Kampf gegen alle Unternehmer. Was ist Klassenbewusstsein? Es gibt ökonomisches, politisches und theoretisches Klassenbewusstsein. Lenin schrieb: „Das politische Klassenbewusstsein kann dem Arbeiter nur von außen gebracht werden, das heißt aus einem Bereich außerhalb des ökonomischen Kampfes, außerhalb der Sphäre der Beziehungen zwischen Arbeitern und Unternehmern. Das Gebiet, aus dem allein dieses Wissen geschöpft werden kann, sind die Beziehungen aller Klassen und Schichten zum Staat und zur Regierung, sind die Wechselbeziehungen zwischen sämtlichen Klassen“ (LW 5, S. 436).

Im betrieblichen Kampf entsteht spontanes gewerkschaftliches Bewusstsein. Es ist die Keimform der Bewusstheit, aber noch kein revolutionäres Bewusstsein. Letzteres erfordert die konkrete Analyse politischer Kräfteverhältnisse und eine daraus abgeleitete Strategie. Den ökonomischen Kampf führt die Arbeiterklasse gegen alle Unternehmer. Um die führende Rolle in der Gesellschaft kann sie jedoch nur mit politischem Klassenbewusstsein kämpfen. Die Kritiker der DKP-Strategie bieten allerdings meist nur eine Kombination aus ökonomistischem Tageskampf und abstrakter Sozialismuspropaganda. Eine beides verbindende politische Strategie fehlt.

Solange die Arbeiterbewegung und die progressiven Kräfte in der Defensive sind, bleibt unser strategisches Ziel, eine „Wende zu Friedens- und Abrüstungspolitik, zu demokratischem und sozialem Fortschritt“ zu erkämpfen. Das Ziel einer progressiven „Wende“ formulierten wir zum ersten Mal im (Mannheimer) Programm 1978, also kurz nach Ausbruch der Krise 1974/75. Im Leitantrag zum 22. Parteitag formulieren wir vorsichtig: „Die Offensive des Monopolkapitals stoppen. Gegenkräfte formieren. Eine Wende zu Friedens- und Abrüstungspolitik, zu demokratischem und sozialem Fortschritt erkämpfen.“ In der Tat kann von einer „Wende“ erst die Rede sein, wenn Verschlechterungen nicht mehr nur gebremst und Alternativen nicht nur punktuell durchgesetzt werden, sondern wenn im gesellschaftlichen Maßstab Fortschritte erzielt werden können. Erst dies wäre der Übergang von der Defensive zur Offensive.

Eine progressive Wende durchzusetzen, ist nicht einfach. Viele streben sie an und wir gehören zu den wenigen, die dabei den Vorrang des außerparlamentarischen Kampfes betonen. Im Leitantragsentwurf sagen wir: „So erfreulich es auch ist, dass sich in einigen entwickelten kapitalistischen Ländern derzeit linke Wahlbewegungen formieren – für die Durchsetzung einer Wende in Richtung Fortschritt werden Wahlen und Wahlergebnisse keinesfalls ausreichen. Die Gefahr einer Anpassung auch linker Regierungen an die neoliberale Politik ist angesichts von Krisen und Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals und angesichts der immer schärfer werdenden internationalen Konkurrenz heute noch größer als in früheren Perioden, in denen das internationale Kräfteverhältnis erheblich günstiger war.“

„Wende“ und Systemveränderung

Heute erfordert eine Wende ein ganz anderes Niveau der Mobilisierung und des Klassenkampfs bis hin zur Durchsetzung von Eingriffen in die Eigentumsrechte des Kapitals. „Herkömmliche soziale und demokratische Reformen rücken so näher an die Notwendigkeit grundlegender antimonopolistischer Umgestaltungen heran.“ (DKP-Programm 2006) Soziale und demokratische Reformforderungen leiten sich aus den Bedürfnissen der Bevölkerung ab. Sie orientieren sich an der Logik des Klassenkampfs, nicht an den Sachzwängen, den Grenzen oder der Logik des Systems. Im Kampf um die Wende werden sich die sozialen Kräfte neu gruppieren. Einsichten in die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus werden aufgrund der politischen Erfahrungen, die die Massen selbst machen, wachsen.

Von der Art der Neugruppierung hängt ab, wie es weitergehen kann. „Ob und in welchem Tempo der Stopp der Offensive des Kapitals und der Übergang von der Defensive der antikapitalistisch-antimonopolistischen Kräfte zur Offensive zu weiteren Schritten bis hin zum revolutionären Bruch mit der Macht des Monopolkapitals führt und ob der Bruch in einer oder in mehreren Etappen erfolgt, hängt allein vom Kräfteverhältnis der Klassen ab. Es hängt ab von der Stärke und Reife, die die Arbeiterbewegung und ihre Verbündeten im Verlauf des Kampfes entwickeln sowie von weiteren subjektiven und objektiven Voraussetzungen, die im Einzelnen nicht vorhersagbar sind.“ (Leitantrag)

Wie im Programm 2006 lassen wir die Frage nach der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer antimonopolistischen Demokratie offen. Eine solche setzt ganz spezifische Bedingungen voraus, nämlich eine revolutionäre Krise des staatsmonopolistischen Herrschaftssystems, in der die Massen zwar radikale Maßregeln gegen die Monopole wollen, ohne dass jedoch eine Mehrheit für den Sozialismus wäre.1 Ob eine solche Situation einmal eintritt, darüber lässt sich heute nur spekulieren.

Die „Wende“ und die antimonopolistische Demokratie werden fälschlicherweise oft gleichgesetzt. Der Unterschied ist: Während die „Wende“ eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse im Kapitalismus ist, würde eine antimonopolistische Demokratie den „einheitlichen revolutionären Prozess des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus“ (Programm) einleiten. Sie würde an die Machtfrage heranführen, da sie die Erkämpfung einer revolutionär-demokratischen Staatsmacht voraussetzt. Dagegen könnte die „Wende“ von den Herrschenden unter veränderten Kräfteverhältnissen wieder revidiert werden, es sei denn, die antimonopolistischen Kräfte sind stark genug, um rechtzeitig zu grundlegenden Veränderungen fortzuschreiten.

In jeder Kampfetappe gehören zum theoretischen und ideologischen Klassenkampf, den wir führen, immer auch Kapitalismusanalyse und -kritik, das Aufzeigen der Notwendigkeit des Sozialismus und seiner materiellen Vorbereitung, das Studium bisheriger und heutiger Versuche der Realisierung des Sozialismus.

(Auszüge eines Referats von Beate Landefeld bei der DKP Hamburg am 14. Oktober 2017, Der Beitrag ist ungekürzt auf news.dkp.de zu finden.)

1 Willi Gerns/Robert Steigerwald, Für eine sozialistische Bundesrepublik, Ffm 1977, S. 42 f.

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Über die Autorin

Beate Landefeld (Jahrgang 1944) ist Hotelfachfrau und Autorin.

Landefeld studierte ab 1968 Literaturwissenschaft und Soziologie an der Universität Hamburg, war Vorsitzende des Allgemeinen Studentenausschusses, Mitbegründerin des MSB Spartakus. 1971-1990 war sie im Parteivorstand der DKP, 1977-1979 Bundesvorsitzende des MSB Spartakus, später auf Bezirks- und Bundesebene Funktionärin der DKP.

Landefeld ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter. 2017 veröffentlichte sie bei PapyRossa in der Reihe Basiswissen das Buch „Revolution“.

Für die UZ schreibt Landefeld eine monatliche Kolumne.

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"Zu einigen Streitfragen", UZ vom 15. Dezember 2017



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