Verschärfte US-Blockade Kubas nimmt 10 Millionen Menschen in Geiselhaft

20 Millionen US-Dollar Schaden – pro Tag

Die USA haben ihre Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba im vergangenen Jahr erneut verschärft und der sozialistischen Inselrepublik Schäden in historischer Höhe zugefügt. Wie der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla am Mittwoch vergangener Woche in Havanna vor Journalisten darlegte, summieren sich die wirtschaftlichen Verluste für den Zeitraum von März 2024 bis Februar 2025 auf über 7,5 Milliarden US-Dollar. Dies markiere in einigen betroffenen Bereichen gegenüber dem Vorjahr einen dramatischen Anstieg von 49 Prozent und belege die Intensivierung des Wirtschaftskrieges unter dem ehemaligen US-Präsidenten Joseph Biden und dem aktuellen, Donald Trump.

Die seit 63 Jahren bestehende US-Blockade ist ein fortgesetzter Angriff auf das tägliche Leben der Bevölkerung. „Es ist unmöglich, die Entbehrungen, den emotionalen Schaden, die Angst und das Leid, die die ständig verschärften US-Sanktionen den kubanischen Familien zufügen, in Zahlen auszudrücken“, erklärte Rodríguez. Mehr als 80 Prozent der Kubaner seien unter „den feindseligen Bedingungen dieses ökonomischen Krieges“ geboren, der Kubas Wirtschaft während der vergangenen Jahrzehnte einen Gesamtschaden in Höhe von mehr als 170 Milliarden US-Dollar – zu aktuellen Preisen sogar von über zwei Billionen Dollar – zugefügt habe. Derzeit verliert das Land jeden Tag mehr als 20 Millionen US-Dollar. Geld, das für die Beschaffung von Lebensmitteln, Medikamenten und Treibstoff sowie für die Stromerzeugung, den Transport und andere grundlegende Dienstleistungen fehlt.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie lebten in einem Haus, in dem Ihnen seit Ihrer Geburt der Zugang zu Baumärkten, Lebensmittelgeschäften, Banken und Apotheken verwehrt wird. Jeder Versuch, die Familie angemessen mit Nahrung und Medikamenten zu versorgen, ein undichtes Dach zu reparieren oder die Heizung zu erneuern, wird durch externe Vorschriften und Sanktionen enorm verteuert, verzögert oder ganz unmöglich gemacht. Für über 80 Prozent der heute in Kuba lebenden Menschen ist das keine Metapher, sondern Realität während ihres gesamten Lebens. Ein Leben unter dem „umfassendsten und längsten System unilateraler Zwangsmaßnahmen, das je gegen ein Land verhängt wurde“, so Rodríguez. Washington betreibe gegenüber Kuba eine „Politik der Erstickung“ mit „genozidalem Charakter“, deren erklärtes und einziges Ziel es sei, „durch die Erzeugung von Not, Mangel, Leid, Hunger und Verzweiflung“ einen Regimewechsel zu erzwingen. „Die Blockade ist nicht nur eine politische Waffe, sie ist ein permanenter Angriff auf die elementaren Menschenrechte unseres Volkes“, erklärte Rodríguez.

„Rund 40 ausländische Banken lehnten aus Angst vor US-Sanktionen die Ausführung von etwa 140 Überweisungen ab“, so der Bericht zur Finanzblockade. Die Folge: Schiffe mit Treibstoff oder Getreide konnten nicht entladen werden, obwohl Kuba die Fracht bezahlt hatte. Damit blockiere Washington nicht nur das Land, sondern verletze systematisch das Völkerrecht, prangerte der Minister an. Ohne US-Sanktionen hätte Kubas Wirtschaft 2024 um 9,2 Prozent wachsen können – eine der höchsten Raten weltweit. „Was hätten wir, abgesehen von all dem Guten, für das Kuba seit 60 Jahren steht, mit dieser für eine kleine Volkswirtschaft wie die unsere exorbitanten Summe alles für unser Volk und andere Menschen auf der Welt tun können?“, fragte der Außenminister rhetorisch. Eine Antwort liefert eine Liste von täglichen Entbehrungen, die der Bericht in Relation setzt: Demnach entsprechen zwei Monate Blockade den Kosten für die Versorgung der Bevölkerung mit dem Grundnahrungsmittelkorb für ein ganzes Jahr oder den Kosten für den Jahresbedarf an Treibstoff, um den regulären Stromverbrauch zu decken. Die in fünf Tagen entstehenden Verluste würden reichen, um Reparaturen an der zentralen Stromerzeugungsanlage Antonio Guiteras in Matanzas zu finanzieren – deren Ausfälle in den vergangenen Jahren regelmäßig zu landesweiten Abschaltungen führten. Besonders drastisch sind die Folgen im Gesundheitswesen. 16 Tage Blockade entsprechen dem Jahresbedarf an Medikamenten der nationalen Liste unentbehrlicher Arzneien. 14 Stunden dieser Politik haben denselben Wert wie der gesamte Insulinbedarf in einem Jahr. Sechs Tage Blockade entsprechen dem Wert aller Verbrauchsmaterialien wie Spritzen, Kanülen oder Infusionsbestecke, die das Gesundheitssystem jährlich benötigt. Selbst die Versorgung der Schwächsten ist betroffen: 19 Minuten der Sanktionen kosten so viel wie die Beschaffung aller Rollstühle für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Die Beispiele belegen, wie die Blockade jeden Aspekt der Daseinsvorsorge trifft. Sie ist keine legitime außenpolitische Maßnahme, sondern eine kollektive Bestrafung von zehn Millionen Kubanern, deren Alltag durch sie beeinträchtigt wird.

Besonders zynisch wirken angesichts der in dem 68-seitigen Bericht minutiös aufgeführten Fakten die als gut gemeinten Ratschläge getarnten Empfehlungen prowestlicher Ökonomen. Kritiker des kubanischen Modells, oft finanziert aus Quellen, die die Blockade am vehementesten befürworten, behaupten, nicht die US-Sanktionen, sondern eigene Fehler und das vermeintliche Versagen des sozialistischen Wirtschaftsmodells seien die Hauptursache für Mängel und Versorgungsprobleme. Eine „Argumentation“, die wirkt, als würde man jemandem die Füße am Boden eines Schwimmbeckens einzementieren und dann, wenn das Wasser einläuft und die Person zu ertrinken droht, behaupten, ihr Scheitern liege allein daran, dass sie nicht schwimmen könne. Tatsächlich ist die Blockade so etwas wie Zement, der jede Bewegung Kubas behindert, um den Untergang eines alternativen Gesellschaftsmodells herbeizuführen. Derartige Versuche dürften während der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump weiter zunehmen. Seit seinem Antritt im Januar wurde Kuba erneut auf die US-Liste von Staaten gesetzt, die angeblich den Terrorismus unterstützen, und das Helms-Burton-Gesetz aktiviert, das Klagen gegen internationale Investoren ermöglicht. Auch die systematische Unterbindung von Finanztransaktionen und Angriffe auf Touristik-Unternehmen wurden verschärft.

Die Blockade sei mehr als nur ein bilateraler Konflikt. Sie ist ein Testfall für das Völkerrecht und die Souveränität von Nationen, gab Rodríguez zu bedenken. Die Frage laute nicht, was Kuba hätte tun können, sondern wie lange die Welt noch zuschaue. Während die USA und einige ihrer treuesten Vasallen die völkerrechtswidrige Politik fortsetzen, findet Kuba in der internationalen Gemeinschaft zivilisierter Völker breite Unterstützung. Jahr für Jahr verabschiedet die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit eine Resolution gegen die US-Sanktionen. Rodríguez zeigte sich überzeugt, dass die Debatte und das Votum am 28. und 29. Oktober erneut „praktisch einhellig“ ausfallen werden. Die Blockade erzeuge Mangel, „aber sie wird niemals das Ziel erreichen, unser Volk zu brechen oder unsere verfassungsmäßige Ordnung zu zerstören“, erklärte der Außenminister. Er rief alle UN-Mitgliedstaaten, Parlamente und die Solidaritätsbewegungen zu einer weltweiten Mobilisierung auf, um den Druck auf die USA zu erhöhen, ihre „völkerrechtswidrigen, kriminellen und illegalen Maßnahmen“ einzustellen und der unmenschlichen Blockade ein Ende zu setzen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit