DGB: Tarifflucht geht auf Kosten von Steuereinnahmen und Sozialversicherung

60 Milliarden weniger

Der DGB hat in einer Analyse die Kosten bilanziert, die der Allgemeinheit durch das Umgehen von Tarifverträgen entstehen. Demnach entgehen sowohl dem Staat Milliarden an Einnahmen, aber auch die Kaufkraft der Beschäftigten ist dadurch erheblich geringer.

Die Tarifbindung geht immer weiter zurück. Nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten sei von tarifvertraglichen Regeln erfasst, so der DGB. Und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung stellt fest, dass 2021 lediglich noch 52 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden waren, während es im Jahr 2000 noch 68 Prozent gewesen seien.

Würden aktuell alle Beschäftigten nach Tarif bezahlt, würde dies laut der vom DGB veröffentlichten „Tarifflucht-Bilanz“ rund 60 Milliarden Euro im Jahr an Mehreinnahmen bedeuten – in die Sozialversicherung würden 43 Milliarden Euro mehr fließen, 27 Milliarden Euro kämen an Mehreinnahmen über die Einkommensteuer. Addiere man alle Kosten zusammen, also die Mindereinnahmen bei den Sozialversicherungen, dem Fiskus und im Geldbeutel der Beschäftigten, so ergebe sich sogar ein Schaden von 130 Milliarden Euro pro Jahr, so der DGB, der sich bei diesen Berechnungen auf vom Statistischen Bundesamt bereitgestellte Daten stützt.

Besonders positiv würde sich eine flächendeckende Tarifbindung für ostdeutsche Beschäftigte auswirken. Hier beträgt die Lohnlücke zu tariflich Bezahlten 3.915 Euro pro Jahr, im Westen sind es 2.819 Euro.

DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kündigte an, auf die „politischen Akteure in den Ländern und im Bund“ mehr Druck machen zu wollen. Diese sollten sich für mehr Tarifbindung einsetzen – „auch durch neue gesetzliche Regelungen“, so Fahimi.

Die Bundesregierung habe sich für die laufende Legislatur in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, für mehr Tarifbindung und Tarifanwendung zu sorgen. Zuletzt kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bei seinem Auftritt vor dem ver.di-Bundeskongress an, ein Tariftreuegesetz vorzulegen – das allerdings nicht zum ersten Mal. Ein solches Gesetz soll dazu verpflichten, öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen zu vergeben, die Tarifverträge anwenden.

Der DGB fordert zudem gesetzliche Regelungen, um Tarifverträge für alle Unternehmen allgemeinverbindlich zu machen. Darüber hinaus müsse das Engagement von Gewerkschaftsmitgliedern steuerlich honoriert und sogenannte „Ohne-Tarif-Mitgliedschaften“ von Unternehmen in Arbeitgeberverbänden abgeschafft werden.

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"60 Milliarden weniger", UZ vom 10. November 2023



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