Zu „Für die Frauen der Arbeiterklasse“, UZ vom 30. Oktober 2020

Amüsant, aber keine Komödie

Olaf Brühl, Berlin

Kein Stück Literatur (Kunst) ist gut, das mit der Tradition seines Genres bricht. Regelverstöße in der Kunst sind nicht „revolutionär“, sondern einfach schlecht (wie in der Grammatik zum Beispiel). – „Pygmalion“ ist zwar amüsant, aber darum keine Komödie. Es hat daher keine drei, sondern fünf Akte. „Pygmalion“ ist ein Schauspiel. „Kenntnisnahme der Tatsachen“ stellt Hacks resigniert fest, „ist der seltenste der Wege“. Shaw war einer der ganz großen Dramatiker der Weltliteratur, vermutlich war er es, weil er nicht Maler und Lackierer war, sondern Autor. Und in der Tat hat er nicht nur ein Schauspiel verfasst. Was nun aber der erste Arbeiterroman der englischsprachigen Literatur mit Shaw zu tun haben soll und der Name Robert Noone, den niemand sonst liest, bleibt wohl ein Rätsel.

Und was allerdings die Tradition der Komödie betrifft: Arbeiter als Sieger gab es da schon vor Shaw und mindestens der Friseur (ausgebeutete Klasse) siegte 130 Jahre früher über den Grafen (herrschende Klasse) – am Ende des zweiten Aktes –, natürlich in französischer Sprache – und kurz drauf – Italienisch singend: Figaro, durchaus vorrevolutionär (anders als in England).

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"Amüsant, aber keine Komödie", UZ vom 13. November 2020



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