Altersarmut und Mütterrente

Arme Mütter bleiben arm

Kolumne von Ruth Frölich

Die Altersarmut wächst. Das trifft ganz besonders auf Frauen zu, die aufgrund von Kindererziehung nur eine geringe Rente beziehen. Statt das Problem durch eine garantierte Mindestrente für alle zu lösen oder dafür zu sorgen, dass die Grundrentenzuschlag alle erreicht, denen er einst versprochen wurde, hat die neue Regierung etwas anderes im Angebot: die Mütterrente. Sie wurde auf Drängen der CSU in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Das ist nicht viel und doch das einzige, was die Regierung armutsgefährdeten Müttern anzubieten hat. Nach Einwänden der Deutschen Rentenversicherung (DRV) schien es lange, als würde die Mütterrente auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Nun hat sich der Koalitionsausschuss in seiner Sitzung am 2. Juni darauf geeinigt, sie ab dem 1. Januar 2027 einzuführen.

Doch auch die Mütterrente scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Dabei geht es um die Anrechnung eines weiteren halben Rentenpunktes für vor 1992 geborene Kinder auf die Rente. Für alle Kinder, die seit 1992 geboren wurden, erhalten Mütter (seltener Väter) drei Erziehungsjahre angerechnet. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, sind es 2,5 Rentenpunkte. Nach heutigem Stand macht das pro Kind bei der Rente einen Unterschied von monatlich 20,40 Euro.

Nun sollte man meinen, es sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass alle Kinder in der Rentenversicherung gleich angerechnet werden. Warum braucht es für diese Feststellung ausgerechnet die CSU? Und doch gab es heftigen Gegenwind: Die Junge Union (JU) argumentierte, diese geplante und nach derzeitigem Stand steuerfinanzierte Leistung sei eine Benachteiligung der jungen Generation.

Die Mütterrente sei „jeder Person gegönnt“, hieß es gönnerisch, sie sei aber „finanzpolitisch ein fatales Signal“. Jetzt wissen wir: Weil es ein falsches Signal sei, laufen junge Konservative gegen etwas Sturm, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit wäre. Ist Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich haltbar? Und hier geht es um die Renten von Müttern, die in ihrer Mehrheit keine ausreichende Kinderbetreuung vorfanden, weil Kita- und erst recht Krippenplätze in den westlichen Bundesländern fehlten.

Ich habe dieses Problem am eigenen Leib erlebt. Einen Kita-Platz bekam ich beim zweiten Kind erst, als die Tochter schon beinahe vier Jahre alt war, und dann leider nur halbtags. Vollzeitbeschäftigung ist unter diesen Umständen unmöglich.

So gesehen gleicht auch die von der schwarz-roten Koalition versprochene Mütterrente die Gerechtigkeitslücke in keiner Weise aus. Bei zwei Kindern – wie bei mir – wären es monatlich 40,80 Euro an Rentenzuschlag, was den verlorenen Verdienst in keiner Weise wettmacht.

Hinzu kommt: Mütter mit einer sehr niedrigen Rente, die diesen Bonus am dringendsten bräuchten, sollen leer ausgehen. Das gilt für alle Empfängerinnen der Grundsicherung im Alter, bei denen die Mütterrente umgehend wieder von der Grundsicherung abgezogen würde – falls sie denn käme.

Entgegen dem, was in Medien und News-Feeds suggeriert wird, sind Menschen, die Grundsicherung im Alter erhalten, in den seltensten Fällen Leute, die „nie gearbeitet haben“. Die allermeisten haben ein Leben lang gearbeitet und Kinder erzogen und müssen trotzdem ihre Altersrente durch Grundsicherung aufstocken. Es gäbe also bessere und gerechtere Lösungen gegen die Altersarmut als die Mütterrente.

Und doch erscheint sie betroffenen Frauen als willkommener Tropfen im Meer, weil es derzeit der einzige Regierungsvorschlag für die Verbesserung ihrer Lage ist.

Man kann gespannt sein, ob und wie der jetzige Beschluss der Regierungskoalition von Anfang Juni auch umgesetzt wird. Noch gibt es keinen Gesetzesentwurf. Und aus der Deutschen Rentenversicherung war zu hören, dass die „personellen Ressourcen“ der DRV nicht dafür bemessen seien, „derartig große Arbeitsmengen händisch zu erledigen“, wie ein Mitarbeiter gegenüber der „Augsburger Allgemeine“ erklärte.

Diese Aussage hatte Gelächter und Kopfschütteln ausgelöst. Alle Daten händisch ändern? Im Zeitalter der Digitalisierung und „Künstlichen Intelligenz? Das sei mal wieder ein Beweis dafür, dass in Deutschland nichts funktioniere.

Nun soll die Mütterrente ohne Rücksicht auf die Machbarkeit in eineinhalb Jahren kommen. Dabei wird im Ergebnispapier von Union und SPD versprochen: „Sofern eine technische Umsetzung erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist, wird die Mütterrente rückwirkend ausgezahlt.“ Wie viele Frauen durch die Mütterrente davor bewahrt werden, Grundsicherung im Alter beantragen zu müssen, ist nicht bekannt.

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"Arme Mütter bleiben arm", UZ vom 11. Juli 2025



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