Am vergangenen Samstag protestierten rund 250 Friedensaktivisten im bayerischen Grafenwöhr gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz, der hauptsächlich von der US-Armee genutzt wird, gilt als möglicher Standort für die neuen US-Hyperschallraketen. Unterstützt wurde die erste Kundgebung dieser Art in der Region von einem Trägerkreis, dem unter anderem DFG-VK, IPPNW, GEW sowie DKP und SDAJ Bayern angehören.
Reiner Braun, Initiator des Berliner Appells und Hauptredner der Veranstaltung, warnte eindringlich vor den Folgen einer möglichen Stationierung der neuen Mittelstreckenwaffen. Sie seien deshalb so gefährlich, weil sie durch ihre hohe Geschwindigkeit und extrem kurze Vorwarnzeit Erstschlagswaffen seien. Ein atomarer Angriff auf diese Raketen könnte dazu führen, dass große Teile der Region über Generationen hinweg unbewohnbar würden. Wirklicher Heimatschutz, so Braun, beginne mit einem entschiedenen Nein zu diesen Waffen.

Für die DFG-VK Bayern forderte Thomas Rödl die Wiederinkraftsetzung des INF-Vertrags von 1987. Dieser Vertrag hatte die Stationierung landgestützter Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern verboten. Rödl betonte, dass Rüstungskontrolle wieder zu einem politischen Instrument werden müsse, um weitere Eskalationen zu verhindern. Jungen Männern empfahl er, den Kriegsdienst zu verweigern. Die Ärztin Elisabeth Heyn aus Nürnberg sprach für die Internationalen Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung eines Atomkriegs (IPPNW). Sie erklärte, dass militärische Planungen bereits heute vorsehen, im Ernstfall zivile Krankenhauskapazitäten für den Kriegseinsatz zu reservieren. Dadurch könnten Zivilistinnen und Zivilisten bei der medizinischen Versorgung ins Hintertreffen geraten. Heyn berichtete vom Leid eines Patienten, der durch eine Explosion schwer verletzt wurde, um zu verdeutlichen, wie grausam Krieg für den Einzelnen ist. Ihre Warnung war unmissverständlich: „Wir werden euch nicht helfen können.“
Der Bundestagsabgeordnete Aaron Valent („Die Linke“) kam direkt von der Berliner Sitzungswoche und damit den laufenden Haushaltsberatungen nach Grafenwöhr. Er kritisierte die Prioritätensetzung der Bundesregierung: Während Milliarden für militärische Aufrüstung bereitgestellt würden, fehle es an Mitteln für Schulen, Krankenhäuser und die kommunale Infrastruktur. Für die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM) kritisierte Vitek Prokop den zunehmenden Verlust an historischem Bewusstsein. An vielen Schulen werde kaum noch über die Schrecken des Zweiten Weltkriegs gesprochen. Mit dem Verschwinden der letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gehe auch das Wissen über die Folgen von Krieg und Faschismus verloren. Prokop betonte, dass mit Krieg und Gewalt enorme Profite gemacht würden. Militarisierung führe nicht zu mehr Sicherheit, sondern bereite den nächsten Krieg vor. In der Tradition von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gelte es, ein starkes Zeichen dagegen zu setzen.
Die Kundgebung in Grafenwöhr kann dazu als mutmachender Auftakt gewertet werden. Willi Rester, Sprecher der DFG-VK Oberpfalz und des Trägerkreises der Aktion, zog ein positives Fazit. Für eine erste Kundgebung sei die Beteiligung erfreulich hoch gewesen. Nur eine politische Absage an die Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen könne weitere Proteste in Grafenwöhr überflüssig machen.
