Verwaltungsgericht Stuttgart verhandelt Klage von Werner Siebler auf Herausgabe seiner Verfassungsschutzakte am 28. Mai

Auskunft mit absurder Begründung verweigert

Seit vier Jahren streitet der vom Berufsverbot betroffene ehemalige Freiburger Briefträger der Deutschen Bundespost mit dem Verfassungsschutz Baden-Württemberg auf Kenntnisgabe der über ihn gespeicherten Daten.

Auf seinen 2021 gestellten Antrag hatte der Verfassungsschutz 37 so genannte „Erkenntnisse“ aus der Zeit von 1999 bis 2013 mitgeteilt. Für 2014 wurde mitgeteilt, dass Werner Siebler auf Platz 13 bei der Kommunalwahl der Linken Liste Freiburg kandidiert habe, und als letzte „Erkenntnis“ in 2017, dass er auf einer Veranstaltung der Roten Hilfe zu Berufsverboten berichten würde. Die mitgeteilten Erkenntnisse stammten allesamt aus öffentlichen Quellen wie der regelmäßigen Lektüre der Wochenzeitung der DKP, Unsere Zeit (UZ), der Durchsicht von Wahlunterlagen und zweimal der „Badischen Zeitung“: Alles Alltagsverhalten eines aktiven Demokraten. Den zahlenmäßig größten Anteil nahmen dabei „Erkenntnisse“ ein, in denen sich Siebler kritisch mit der Praxis der Berufsverbote befasst, hierbei auch mit dem eigenen Fall. Nichts aus den Jahren 1973 bis 1999, nichts nach 2017 bis heute, nichts zu seinem eigenen, international kritisierten Berufsverbotsfall, nichts zu seiner Gewerkschaftsarbeit.

Begründung: Es würden zwar weitere Erkenntnisse und solche vorliegen, die bis ins Jahr 1973 zurück reichten. Über die könne aber keine Auskunft erteilt werden, da angesichts der Jahrzehnte gehenden Beobachtung, so der Verfassungsschutz, „das Interesse an der Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes“ Werner Sieblers rechtliches Interesse an der Auskunftserteilung überwiege, weil die Auskunftserteilung „etliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Anspruch nehmen würde und das für einen erheblichen Zeitraum“ (sic).

Werner Siebler wäre nicht der mit der Hans-Böckler-Medaille ausgezeichnete aktive Gewerkschafter, nicht der DGB-Stadtverbandsvorsitzende von Freiburg und nicht der ehrenamtlicher Richter am Landesarbeitsgericht seit zehn Jahren, wenn er sich mit einer solchen Antwort zufrieden geben würde. Er will wissen, welche Erkenntnisse sonst noch über ihn vorhanden sind und vor allem, ob er auch jetzt noch vom Verfassungsschutz überwacht wird. Da der Verfassungsschutz hierüber jede Auskunft verweigert, sucht Siebler sein Recht nun mit Hilfe der Gerichte und hat Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.

Er wird dabei vertreten von dem Freiburger Rechtsanwalt Udo Kauß, der schon erfolgreich gegen die jahrzehntelange Beobachtung des Freiburger Kommunalpolitikers und Rechtsanwalts Michel Moos durch den Verfassungsschutz gestritten hat und gegen die 40 Jahre andauernde Beobachtung des Bürgerrechtlers, Publizisten und früheren Präsidenten der Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner.

Rechtsanwalt Kauß stellt dazu fest:

„Damit wird Werner Siebler zum zweiten Mal zum Opfer rechtsstaatswidriger Behandlung durch den Verfassungsschutz. Er war im Jahre 1984 aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden, weil die freiheitlich demokratische Grundordnung angeblich keinen Briefträger erlaubt, der Mitglied der DKP ist, und der deshalb zu entlassen war – was für ihn u. a. den Verlust seiner beamtenrechtlichen Rentenansprüche zur Folge hatte.

Und jetzt wird ihm sein nachhaltiger Einsatz gegen eine Politik, die die Praxis der Berufsverbote, wie er sie am eigenen Leibe erlitten hat, erst ermöglicht hat, zum Vorwurf gemacht: Über fünf Jahrzehnte lang hat der Verfassungsschutz ganz offenbar eifrigst Unmengen von Daten über ihn gesammelt und gespeichert. Und weil der Verfassungsschutz so viele Daten über W. Siebler gespeichert hat, würde es zu viel Arbeit machen, diese in den Datensammlungen des Verfassungsschutzes herauszusuchen.

Mit anderen Worten: Hat der Verfassungsschutz über eine Bürgerin oder Bürger viele Daten gesammelt, dann braucht er auch keine Auskunft zu erteilen. Hätte der Bürger doch selbst dem Verfassungsschutz Grund für eine solch umfängliche Erfassung gegeben. Der betroffene Bürger oder Bürgerin ist also selbst schuld.

Eine solche Auffassung sollte in einem Rechtsstaat keinen Bestand haben.“

Die öffentliche Verhandlung findet am Mittwoch, den 28. Mai 2025 um 11 Uhr im Verwaltungsgericht, Sitzungssaal 3, Augustenstraße 5 in Stuttgart statt.

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