Bekenntniszwang ist nicht gut. Wo man auch hinschaut – nirgendwo wird eine Pflicht, sich zu irgendetwas zu bekennen, gutgeheißen.
Das Bekenntnis als solches kommt dagegen gut weg: Ob zu einer Religions- oder sonstigen Gemeinschaft, zu einer begangenen Handlung, zu einem gemachten Fehler oder auch zu einem anderen Menschen. Jemand erklärt sich zu einer vergangenen Haltung oder gelobt ein Vorhaben. Ein Bekenntnis hilft also, einen Menschen einzuschätzen; es ist ein gesellschaftlich sanktioniertes Verhalten, das Glaubwürdigkeit vermittelt.
Daher ist offenkundig, dass die Krux im Zwang liegt. Als die Münchner Philharmonie vergangene Woche vom Musikfestival im belgischen Gent ausgeladen wurde, weil die Veranstalter von deren israelischem Dirigenten Lahav Shani eine Stellungnahme zum Gaza-Krieg erwarteten, urteilte die Stadt München (obwohl die Ausladung ausdrücklich nicht damit begründet war): „Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne zu verbannen, ist ein Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte.“
Nun ist der doppelte Standard die Paradedisziplin deutscher Politik und Medien, weshalb es müßig ist, die vielen Warner vor einem Bekenntniszwang auf ihr Verhalten gegenüber in der EU tätigen russischen Künstlern nach Beginn des Einmarsches der russischen Armee in den Donbass hinzuweisen. So hatte die Stadt München Anfang März 2022 in ihrer Eigenschaft als kommunaler Träger der Philharmonie den Vorgänger Shanis, Waleri Gergijew, entlassen – weil er als Russe angehalten wurde, sich „eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg“ zu distanzieren. Wer sie auf den Widerspruch hinweist, dürfte wohl Antisemit sein. Zugestehen muss man der Stadt nämlich, dass sie ihre Erklärung des Jahres 2025 da noch nicht kennen konnte.
Kunstschaffende sind keine Politiker, von denen eine Aussage eingefordert werden kann. Daher hat Dirigent Shani das persönliche Recht, sich nicht zur Politik Israels zu äußern. Ob es im Fall eines Genozids aber klug ist oder zur persönlichen Glaubwürdigkeit beiträgt, kann er am Beispiel seines Dirigentenkollegen Ilan Volkov ermessen: Dieser erklärte jetzt nach einem Konzert mit dem BBC-Sinfonieorchester in London, dass er nicht mehr in seiner Heimat Israel auftreten wird – wegen Gaza.