Am Freitag berät der Bundestag in erster Lesung den Entwurf für ein „Bundeswehr-Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ (BwPBBG). Eckpunkte sind: Militärspezifische Aufträge können vergeben werden, „ohne dass (deren) Finanzierung gesichert ist“, zeitaufwändige öffentliche Vergabeverfahren treten hinter der Direktvergabe zurück, bei Ausschreibungen werden die Fristen zum Teil auf wenige Tage gekürzt, Aufträge werden nicht mehr kleinteilig, sondern im Paket vergeben (was vor allem die großen Rüstungskonzerne begeistern wird), Beschwerderechte der zivilen Vertragspartner (zum Beispiel Bau- oder Transportunternehmen) werden weitestgehend gekappt. Alles mit dem Ziel, das Katherina Reiche (CDU), Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, so zusammenfasst: „Wir brauchen mehr Rüstungsgüter und wir brauchen sie schneller.“
Es geht auch um „Military Mobility“, die zügige und nahtlose Bewegung von militärischem Personal, Material und militärischen Mitteln innerhalb und außerhalb des NATO-Gebiets. Es ist nach 2020 und 2022 bereits das dritte Mal in fünf Jahren, dass die Bundesregierung ein Gesetz zur Beschleunigung von Aufträgen an die Rüstungsindustrie und zum Ausbau des Aufmarschkorridors Richtung Osten auf den Tisch legt. Damit sollen die letzten bürokratischen Hemmnisse zur Herstellung der Kriegsbereitschaft im Bereich der NATO-Logistik beseitigt werden.
Eingebettet ist der Gesetzentwurf in die auf EU-Ebene unlängst beschlossene Richtlinie „Weißbuch zur europäischen Verteidigungsbereitschaft“, in der von den EU-Mitgliedsländern „massive Investitionen über einen längeren Zeitraum“ gefordert werden. Die EU hat zu diesem Zweck 800 Milliarden Euro freigestellt. Still und leise waren bereits zum 1. August einschlägige Verwaltungsvorschriften geändert worden. So können seit zwei Monaten, abweichend von der bisherigen Regelung in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A), Direktaufträge mit einem Auftragswert von bis zu 1,19 Millionen Euro ohne Ausschreibung und Bieterwettbewerb freihändig an Rüstungskonzerne, Transport- und Materialwirtschaft vergeben werden.
Am 26. September hat der Bundesrat einhellig dem Entwurf zugestimmt und betont, „um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken, bedarf es auch einer umfassenden Aktivierung rüstungswirtschaftlicher Potenziale in der Breite der Wirtschaft“. Zuvor zeigten sich auch die Führung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) angetan. In der Stellungnahme des DGB werden Aufrüstung und Kriegsinfrastruktur als Chance begriffen. Mit „konsumtiven Milliardeninvestitionen zur Stärkung der Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit“ würden „gute Arbeit und faire Löhne“ einhergehen.
Am Dienstag dieser Woche traf Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) bereits die Vertreter der Länderbauministerien zur Auswertung der 38 Einzelprojekte, die seit dem Beschluss des letzten Bundeswehrvergabebeschleunigungsgesetzes im Jahr 2022 eingeleitet worden sind. Hierzu gehören unter anderem der Ausbau militärischer Unterbringungskapazitäten, die Erweiterung und Modernisierung von Ausbildungs- und Übungsflächen oder der Bau von Lagerräumen für Waffensysteme und Munition.
Der Chef des Immobilien-Giganten Vonovia, Rolf Buch, bekundete bereits sein Interesse als Betreiber neuer Soldatensiedlungen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) freut sich ob der neuen Bundeswehr „als Fahrschule der Nation“ auf Synergieeffekte zur Überbrückung des Mangels an Lkw-Fahrern. Angesichts des vom Planungsamt prognostizierten Bedarfs von 32.500 Militärtransportfahrzeugen bis 2027 und 59.000 bis zum Ende des Jahrzehnts keine unbegründete Hoffnung.
Ein „Leuchtturmprojekt“ militärisch dominierter, aber eigentlich ziviler Logistik ist das Projekt „Regiolog Süd“ in Südbaden. Hier entsteht ein groß dimensioniertes Hochregallager in Modulbauweise nach dem „Dual Use-Prinzip“ (heute Butter, morgen Granaten). Nach dem Kooperationsvertrag profitiert der Lebensmittelgroßhandel in Friedenszeiten. Nach schneller Räumung wird das Lager frei für Munition, Raketenteile und Artikel zur Verwundetenversorgung. Über 20 solcher Projekte sind bundesweit in Planung.
Der Finanzierungsbedarf des BwPBBG wird zum größten Teil aus dem durch das Sondervermögen erweiterten Militärhaushalt bezahlt. Die Informationen über die Umsetzung des BwPBBG werden in Zukunft nur noch spärlich fließen, denn „weitere Beschleunigungen (stehen) unter Beachtung des Geheimschutzes sowie des Schutzbedürfnisses der militärischen Anlagen“ – Geheimnisse im Vorkriegsstadium.