Am 15. und 16. November traf sich der DKP-Parteivorstand in der Karl-Liebknecht-Schule in Leverkusen zu seiner 3. Tagung. UZ berichtete am 21. November. Das Hauptreferat zu „Entwicklungen der Friedensbewegung und des Friedenskampfes und den Aufgaben der DKP“ hielt Mark Ellmann. Er ist Leiter der Friedenskommission der DKP und Mitglied des Sekretariates des Parteivorstandes. Wir veröffentlichen im Folgenden Auszüge.
Als sich die Imperialisten am 13. Oktober in Sharm el-Sheikh zum sogenannten „Gaza-Friedensgipfel“ trafen, wollte die deutsche Regierung auch dabei sein. Merz erklärte in Ägypten angesichts des Trump-Plans: „So wie sie es in dieser Region gezeigt haben, müssen sie es mit uns zusammen auch in der Ukraine und gegenüber Russland zeigen.“ Merz drückt damit die Sorge des deutschen Imperialismus aus, beim Ausverkauf der Ukraine zu kurz zu kommen. Die Milliarden, die sie für den Krieg dort mobilisiert haben, sollen nun mit einer guten Stellung bei den Wiederaufbaukonferenzen belohnt werden.
Ein Ende des Krieges in der Ukraine wird jedoch nicht davon abhängen, wer welche Wiederaufbauprojekte bekommt, sondern an der Frage, ob die russischen Sicherheitsinteressen von der NATO akzeptiert werden oder nicht. Es ist deswegen zu begrüßen, wenn die Trump-Regierung direkte Gespräche mit der russischen Regierung führt. Als Friedensbewegung in Deutschland sollten wir unsere Regierung unter Druck setzen, weitere Verhandlungen um ein Ende des Krieges zu ermöglichen und dafür die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen zu beenden.
Der von Merz ausgerufene „Epochenbruch“, womit er den Angriff auf die Reste der sozialen Sicherungssysteme meint, ist ein Generalangriff auf uns alle. Während für Militärisches unbegrenzt Geld da ist, werden die nächsten sozialen Kürzungen und reaktionären Angriffe vorbereitet. Der reaktionär-militaristische Umbau von Staat und Gesellschaft bestimmt die Politik in Deutschland.
Wieder Berufsverbote
So hat in Hamburg die Senatsmehrheit aus SPD und Grünen die Wiedereinführung der sogenannten Regelabfrage für den öffentlichen Dienst beschlossen. Für jede Neueinstellung soll der „Verfassungsschutz“ genannte Inlandsgeheimdienst angefragt werden, eine Einschätzung über die politische Zuverlässigkeit der Bewerberin oder des Bewerbers vorzunehmen. Zwar wird die Wiedereinführung der Berufsverbotspraxis in der medialen und politischen Debatte entweder mit der Gefahr des Islamismus oder mit dem Aufstieg der AfD begründet, doch sehen wir an den realen Fällen, dass sich die politische Gesinnungsschnüffelei und das Zerstören von Erwerbsbiografien sowie die öffentliche Ausgrenzung gegen uns richtet und nicht gegen die politische Rechte.
Die steigende Repression mitsamt der Wiedereinführung der faktischen Berufsverbotspraxis gegen Demokraten und Kriegsgegner sind zeitgleich stattfindende Angriffe auf den faktischen Zustand der demokratischen Verfasstheit der Bundesrepublik und Ausdruck einer Phase, die geprägt ist durch den Aufbau einer deutschen Rüstungsindustrie und einer Wehrmacht, die in der Lage sein soll, einen Krieg gegen Russland zu führen.
AfD ist keine Alternative
Zwar gibt es Widersprüche innerhalb der AfD in Ostdeutschland, doch sind die AfD-Positionen zum Bürgergeld oder zur NATO-Aufrüstungsvorgabe von 5 Prozent auf einer Linie mit der Bundesregierung. Es gibt also für die Bundesregierung keinen Grund, die AfD beim Generalangriff auf die Reste der sozialen Sicherungssysteme und den Umbau auf Kriegswirtschaft rauszuhalten oder gar mit Repressionen zu überziehen.
Die Bundesregierung beweist ihre Rolle als Treiber der Rechtsentwicklung, indem sie mit ihrer Politik den sozialen Nährboden für neue Protestwähler schafft und damit auf eine künftige AfD-Regierungsbeteiligung hinarbeitet und an sie gewöhnt. Dafür stehen auch die Äußerungen und die Politik von Kanzler Friedrich Merz, die sozialchauvinistisch und rassistisch sind. Dass Teile der politischen Eliten zeitgleich von einer Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens reden und die Wiedereinführung der Berufsverbote auch mit der AfD begründet wird, ist also vorgeschoben. Denn in der Realität werden Kriegsgegner mit Repression überzogen, während die AfD als Alternative der herrschenden Klasse in Stellung gebracht wird – trotz friedenspolitischer Demagogie in Ostdeutschland.
Nein zur Wehrpflicht
Kriegsminister Boris Pistorius äußerte jüngst laut Medienberichten, dass sich Russland für einen weiteren Krieg rüste und „unsere Art zu leben“ in Gefahr sei. Sicherlich meinte er damit nicht den Abbau von Arbeitsplätzen und Industrie, die gestiegenen und teils noch immer steigenden Kosten für Energie und Lebensmittel, die kaputten Brücken, Straßen und Schienen oder die Kinderarmut, die kaputten Schulen oder die Perspektivlosigkeit von jungen Menschen, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz mit meist höherem Gehalt und kostenfreiem Führerschein zur Bundeswehr gelockt werden sollen.

Der Kriegsminister verbreitet diese Lüge, um Stimmung für die NATO-Zielstellung von einer Armeestärke von 260.000 Soldaten und 200.000 Reservisten zu schaffen. Nur so lässt sich der von Kanzler Merz ausgegebenen Zielstellung näherkommen, „die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee in der Europäischen Union“ zu machen. Die Beratung des sogenannten „Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes“ steht für Anfang Dezember auf der Tagesordnung im Bundestag. Die erzielte „Einigung“ zwischen den Koalitionären korrigiert die im Ursprungsvorschlag vorgesehene Kompetenzübertragung in dieser Sache vom Parlament an die Bundesregierung, um ihren Gesetzesentwurf grundgesetzkompatibel zu machen. Sofern dieses Gesetz in der vorliegenden Form angenommen wird, werden ab Januar 2026 Fragebögen an alle 18-jährigen Männer verschickt sowie ab Juli 2027 verpflichtende Musterungsbescheide, um neue Soldaten für die Armee des deutschen Imperialismus zu gewinnen. Diese Pläne dienen der Kriegsvorbereitung, wir werden sie weiter bekämpfen.
Bei der Anhörung und Beratung im Verteidigungsausschuss des Bundestags kamen als Sachverständige für die Regierungsparteien unter anderem sogenannte „Experten“ vom Reservistenverband zu Wort. Eine grundsätzliche Kritik an der Bedrohungslüge und damit an den vorgeschobenen Gründen für die geplante Erhöhung der Soldatenanzahl im Rahmen der Kriegsvorbereitung war in der parlamentarischen Verhandlung nicht zu hören. Das ist bezeichnend für die politischen Debatten im Rahmen von Zeitenwende und Staatsräson. Die Debatte um die Wehrpflicht zeigt, dass eine grundsätzlich oppositionelle Haltung gegen den Aufrüstungs- und Kriegskurs des deutschen Imperialismus im Rahmen der NATO auch bei den Oppositionsfraktionen im Bundestag nicht zu finden ist – eine Ausnahme ist die Linkspartei bei der Ablehnung der Wiedereinführung der Wehrpflicht.
So lud die „Alternative“ heißende NATO-konforme AfD als Sachverständigen einen Generalleutnant a. D. Joachim Wundrak in den Ausschuss, der zuvor für die AfD im Bundestag saß und dem der Gesetzesentwurf nicht weit genug geht. Er sprach sich dafür aus, ab sofort einen verpflichtenden Dienst an der Waffe einzuführen und einen dreimal so langen Zivildienst für alle, die verweigern. Vor dem Umstand, dass die AfD als einzige Partei seit Jahren die sofortige Wiedereinführung der Wehrpflicht forderte und sich nach anfänglichen Linienkämpfen schnell auf die NATO einschwor, ist das nicht verwunderlich. Jedoch angesichts der Friedensdemagogie in den vergangenen Monaten – die so weit ging, dass Björn Höcke und Tino Chrupalla einem Großteil ihrer Anhängerschaft in Ostdeutschland nach dem Mund redeten und vorgaben, gegen die Einführung der Wehrpflicht zu sein –, ist die Ladung des Generalleutnants a. D. als Bekenntnis der AfD-Fraktionsführung zu ihrem Wunsch-Koalitionspartner CDU/CSU zu werten.
Die kurzzeitige ablehnende Haltung zur Wehrpflicht macht die AfD nicht zur Friedenspartei. Sie zeigt erstens, dass der Großteil ihrer Anhängerschaft in Ostdeutschland für oppositionelle Forderungen wie für Frieden mit Russland eintritt, und zweitens, dass die Partei genauso Teil des (west-)deutschen Establishments ist wie die anderen etablierten Parteien. In diesem Fall nimmt sie die Funktion ein, die Wiedereinführung der Wehrpflicht auch bei einer möglichen Veränderung des Kräfteverhältnisses innerhalb der SPD-Fraktion abzusichern.
Positive Bilanz
Wenn wir die zentralen Aktivitäten der Friedensbewegung der zurückliegenden Monate bilanzieren, können wir feststellen, dass die Proteste am 3. Oktober im Vergleich zum vergangen Jahr ein Schritt nach vorne waren. Nachdem das BSW Mitte September zum Protest nach Berlin mobilisierte und die Linkspartei dann Ende September, fanden die beiden Großdemonstrationen am 3. Oktober in Berlin mit etwa 20.000 Teilnehmern und in Stuttgart mit 15.000 Teilnehmern statt. Sie waren breiter aufgestellt und die Mobilisierung erreichte mehr Teile der Gesellschaft, vor allem aus den Gewerkschaften und der Palästina-Solidarität.
In Stuttgart ist es gelungen, dass mehrere gewerkschaftliche Gliederungen zur Demonstration aufgerufen haben und die Landesbezirksleiterin von ver.di Baden-Württemberg, Maike Schollenberger, ein kämpferisches Grußwort hielt. Das ist ein erster Schulterschluss von Friedensbewegungen und Gewerkschaften und ein Grund, die breite Bündnisarbeit für die bundesweiten Großdemonstrationen fortzuführen.
In Berlin beteiligten sich trotz der vorausgegangenen Demonstrationen erneut Palästina-solidarische Gruppen, mit denen wir vor Ort zusammenarbeiten. Sie liefen zum Teil in unserem Block. In Stuttgart gab es einen eigenen Block der Palästina-Solidarität. Die Verbindung von Teilen der Palästina-Solidarität mit der Friedensbewegung ist ebenfalls ein Grund, diese bundesweiten Großdemos weiter zu organisieren.
Angesichts der kürzlich veröffentlichen „Friedensdenkschrift“ der Evangelischen Kirche Deutschlands, in welcher sie sich gegen ein „Primat der gewaltfreien Lösung“ ausspricht und sogar die politische Notwendigkeit des Besitzes von Atomwaffen rechtfertigt, ist es besonders hervorzuheben, dass mit Margot Käßmann eine ehemalige EKD-Vorsitzende und Landesbischöfin als Rednerin am 3. Oktober auftrat.
Breite und Klarheit
Im Vorfeld der Großdemonstrationen am 3. Oktober gab es Kritik an der Breite des Bündnisses aufgrund der dazu notwendigen Zugeständnisse an die bürgerlichen Teile der Friedensbewegung. Das hat damit zu tun, dass die Friedensbewegung von bürgerlich-pazifistischen Anschauungen dominiert ist. Wenn wir von der Zielstellung eines Schulterschlusses zwischen Arbeiter- und Friedensbewegung sprechen, dann ist nicht nur ein antimilitaristischer Teil, sondern die Friedensbewegung in Gänze gemeint.
Dabei sind Breite und Klarheit kein Gegensatz. Vielmehr erfordert breite Bündnispolitik von uns und uns nahestehenden Kräften, mit klaren Inhalten voranzugehen. Mit dem Eintreten für die Interessen der Arbeiter- und Friedensbewegung können wir notwendige strategische Debatten in die Gewerkschaften tragen. Dabei gilt es den Widerspruch zur Aufrüstungs- und Sozialabbau-Politik der Bundesregierung zu vertiefen.
Wo sind die MiIliarden?
Das ist umso notwendiger, weil den großen Ankündigungen der ver.di-Führung zu Sozialprotesten gegen den Kurs der Bundesregierung bisher kaum Taten gefolgt sind. In Stuttgart riefen ver.di und zahlreiche andere Organisationen für den 8. November immerhin zum Sozialprotest auf. Mit 2.000 anwesenden Protestierenden ist das ein guter Anfang, wir müssen versuchen, hier den Zusammenhang zwischen Sozialabbau und Kriegspolitik zu betonen.
Baufällige Schulen, unterbesetzte Kliniken, Wohnungen, in denen die Heizung abgestellt wurde – die Liste von Orten, an denen wir agitatorisch aufzeigen können, wo die Milliarden fehlen, die die Bundesregierung in Aufrüstung und Kriegsvorbereitung steckt, ist lang. Doch offenbar sind die Gewerkschaftsführungen noch nicht bereit, den Zusammenhang von fehlenden öffentlichen Investitionen und Milliarden für militärisch nutzbare Infrastruktur anzuprangern. Im Gegenteil verbreiten sie die Illusion, dass die Milliardeninvestitionen in die Rüstungsindustrie und militärisch Nutzbares den Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland beenden wird. Dem halten wir entgegen, dass ein Euro nur einmal ausgegeben werden kann und nicht nur die staatliche Investitionspolitik, sondern die Gesamtheit des weiteren Verlaufs der Klassenkämpfe in unserem Land entscheiden wird, wofür Geld ausgegeben wird.
Die Langfassung des Referates und die Dokumente der 3. PV-Tagung werden in „dkp-intern“ veröffentlicht und sind im Mitgliederbereich von dkp.de abrufbar.



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