Zwei Drittel der Münchner haben sich beim Bürgerentscheid letzten Sonntag für eine Bewerbung als möglicher deutscher Austragungsort der Olympischen Spiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 ausgesprochen. Berlin wird sich ebenfalls bewerben und in Hamburg und der Rhein-Ruhr-Region soll im nächsten Jahr über eine Olympia-Bewerbung abgestimmt werden.
Dass es in München zu einer so breiten Zustimmung kam, ist angesichts der Haushaltslage verwunderlich. Denn seit letztem Jahr schlägt der städtische Kämmerer Alarm. Zwar hat die bayerische Landeshauptstadt die größten kommunalen Einnahmen, aber auch die größten Ausgaben. Seit Jahreswechsel arbeiten die Fraktionsspitzen gemeinsam an kommunalen Kürzungsorgien, um die von Bund und Ländern vorgegebenen Schuldenregelungen einzuhalten.
Aus dem für das laufende Jahr kalkulierten Haushalt sollen durch Kürzungen circa 300 Millionen Euro „eingespart“ werden. Laufende Bauprojekte werden eingestampft – auch wenn die Vertragsstrafen dafür fast genauso hoch sind wie die eingesparten Ausgaben. In den städtischen Referaten für Soziales oder Bildung und Sport geht die Sorge um, was überhaupt noch finanziert werden kann, während die Stadt einen De-facto-Ausgabenstopp ankündigt.
In dieser Situation scheint die Mehrheit der Münchner, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, davon auszugehen, dass die Durchführung der Olympischen Spiele nicht nur große Ausgaben, sondern auch große Einnahmen generieren wird. Das hat vielleicht damit zu tun, dass die Abstimmungsunterlagen zusammen mit einem farbigen Hochglanz-Werbeflyer für die Bewerbung verschickt wurde. Oder daher, dass die Münchner Stadtspitze im Dauerschall behauptete, dass schon alle notwendige Infrastruktur vorhanden sei und die Spiele deswegen nachhaltig (und damit auch günstig?) durchgeführt werden können.
Mit Hochglanzplakaten, meterbreiten Transparenten in öffentlichen Parkanlagen und Social-Media-Videos der Bürgermeister wurde für die Münchner Bewerbung geworben. Ob in der Tram oder der U-Bahn: Das Für und Für der Olympia-Bewerbung wurde überall verkündet. Auf einer kommunal finanzierten Werbetafel wurde sogar behauptet: Wenn wir uns für Olympia aussprechen, dann kann die Stadt sogar neue Wohnungen bauen. Also Brot durch Spiele?
Richtig ist, dass durch die Spiele 1972 viel Infrastruktur geschaffen wurde. So wurde damals ein U-Bahn-Netz geschaffen, welches heute unter den gestiegenen Fahrgastmassen zu kollabieren droht. Doch der Ausbau neuer Linien verzögert sich dank Kürzungsdruck. Wenigstens können die Sportanlagen genutzt werden, denken begeisterte Olympia-Anhänger vielleicht – ohne zu wissen, dass die Sanierung der Ruderregattastrecke ebenfalls aus Sparzwang auf der Strecke bleibt.
Aber das Olympiastadion ist noch in einem guten Zustand. Hier müsste „nur“ das Dach saniert werden. Es ist jedoch mit seinen 80.000 Quadratmetern eine architektonische Besonderheit und damit wird alles etwas teurer als gedacht: Statt der geplanten 85 Millionen wird die Sanierung circa 300 Millionen Euro kosten. Die SPD-Stadträtin und Münchner DGB-Chefin Simone Burger wird von der Süddeutschen Zeitung mit der Aussage zitiert, dass die Kosten noch weiter steigen würden, wenn nicht umgehend saniert werde.
Dass diese 300 Millionen Euro exakt der Summe der Kürzungen entsprechen, um die ein halbes Jahr lang gefeilscht wurde, fällt angeblich niemandem auf. Dass es einem schlechten Scherz gleichkommt, erst zu erzählen, dass für dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen kein Geld mehr da sei, um dann solche Summen für Großprojekte zu mobilisieren, das prangert von den im Stadtrat vertretenen Fraktionen keine an. Stattdessen fordert Anne Hübner (SPD) noch mehr Großevents im Olympia-Stadion, damit sich die Ausgabe für die Sanierung auch lohne.
Die DKP bewertet solche Großevents in ihren kürzlich veröffentlichten Positionen für ein solidarisches, nachhaltiges und weltoffenes München anders. Für die normale Bevölkerung würden sie lediglich bedeuten, dass die Preise steigen sowie Kosten für Reinigung und Sicherheit entstehen.


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