Im maroden Bildungssystem Deutschlands fehlen Geld und Personal

Bye bye, Inklusion

Kolumne

„Neue Alarm-Zahlen“ titelte der „Focus“. „Lage an deutschen Schulen verschlechtert sich dramatisch“ titelt „Die Welt“. Neue Daten des Bildungsmonitors für 2025 zeigen ein Defizit bei Sprachkompetenz und Unterrichtsqualität. Einigkeit herrscht darüber, dass der Zustand der Schulen nur als marode bezeichnet werden kann. Guter Unterricht ist so kaum möglich. Doch geht es um Lösungen, dann wird gerne auf die hohe Zuwanderung verwiesen und werden verbindliche Sprachtests schon für Vierjährige gefordert.

Beiseite gedrängt wird dabei, dass unsere Schulen marode sind, weil an allen Ecken das Geld fehlt: Marode Räume, fehlende Lehrkräfte. So räumte die Kultusministerkonferenz (KMK) ein: Aktuell würden mindestens 12.000 Lehrkräfte an deutschen Schulen fehlen. Vom „Deutschlandfunk“ gefragt, spricht die GEW-Vorsitzende Maike Finnern von aktuell 80.000 fehlenden Lehrkräften.

Dabei liegt die Ursache der Misere nicht in der laufenden Pensionierungswelle der sogenannten „Boomer“-Generation. Sie war absehbar. Sie liegt in der chronischen Unterfinanzierung des Bildungssystems. Laut GEW gibt es einen Mindestinvestitionsbedarf von 130 Milliarden Euro – für Kitas, Schulen und Hochschulen.

2008 wurde auf dem Bildungsgipfel von Bund und Ländern beschlossen, künftig 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung zu investieren. Geschehen ist nichts. Im Jahr 2023 sind es gerade einmal 4,5 Prozent. Dem stehen die geplanten Ausgaben für Rüstung und Kriegsfähigkeit gegenüber, die etwa 5 Prozent des BIP und 50 Prozent des Bundeshaushalts entsprechen.

Im Jahr 2008 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Deutschland war einer der ersten Staaten, die diese ratifizierten. Seit 2009 ist sie geltendes Recht. Der Leitgedanke: Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt und gleichberechtigt in der Mitte der Gesellschaft leben können. In der Bildung geht damit die Verpflichtung einher, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen. Kinder mit und ohne Behinderung sollen gemeinsam lernen und Zugang zu hochwertigem Unterricht auf allen Bildungsebenen erhalten – also Inklusion statt Ausgrenzung.

Dem steht die deutsche Realität entgegen, Schülerinnen und Schüler in sogenannten Förderschulen zu separieren. In diesen „Sonderschulen“ erreichen nur 0,3 Prozent der Jugendlichen das Abitur oder die Fachhochschulreife und ganze 4 Prozent einen Realschulabschluss.

Behindertenverbände schlagen Alarm. Das Versprechen von 2008, Inklusion in der Bildung zu praktizieren, ist nicht eingelöst worden. Inklusion kostet Geld, unter anderem für mehr Personal: Beim Ko-Teamteaching planen zwei oder mehr Lehrkräfte gemeinsam Lernprozesse, führen sie gemeinsam durch und bewerten sie gemeinsam. Läuft es gut, profitieren alle Kinder davon. Fehlt das Geld, dann leiden die Schwächsten zuerst.

„News4Teachers“, eine Service-Plattform für Lehrerinnen und Lehrer, fragt: „Verabschiedet sich Deutschland aus der Inklusion?“

Das dreigliedrige deutsche Schulsystem war nie gut in der Integration benachteiligter Kinder, inklusive jener mit Förderbedarf. Wenn im sozialen Bereich gespart wird, bekommen es diese Kinder als Erste zu spüren. 2023 wurde Deutschland schon einmal wegen der mangelhaften Umsetzung der Inklusion in den Schulen vom UN-Fachausschuss für die Rechte der Menschen mit Behinderungen gerügt. Nun droht die zweite Rüge.

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"Bye bye, Inklusion", UZ vom 5. September 2025



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