Die 3. Gewerkschaftskonferenz für den Frieden muss in die Gewerkschaften ausstrahlen

Vor Ort diskutieren – jetzt

Am 11. und 12. Juli findet die 3. Gewerkschaftskonferenz für den Frieden der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Salzgitter statt. UZ sprach mit dem Gewerkschafter Florian Hainrich über seine Erwartungen an die Konferenz – und darüber, wie die Ergebnisse in die Gewerkschaften getragen werden können.

UZ: Warum fährst du zur 3. Gewerkschaftskonferenz für den Frieden?

Florian Hainrich: Weil ich überzeugt bin, dass die Gewerkschaften wieder stärker Teil der Friedensbewegung werden müssen. Es sind unsere Kolleginnen und Kollegen, die in den Kriegen der Welt sterben. Unter dem Kriegskurs, der in Deutschland gefahren wird, leiden wir auch direkt: durch verstärkten Sozialabbau und Massenverarmung. Gleichzeitig beschleunigt er den Abbau gewerkschaftlich gut organisierter Industriearbeitsplätze.

Wir brauchen Gewerkschaften, die klar sagen: Dieser Kriegskurs ist nicht in unserem Inte­resse. Wir wollen für den Frieden arbeiten. Die Rüstungsindustrie bietet keine sicheren Arbeitsplätze. Wer in Rüstungsschmieden arbeitet, ist Teil der Tötungsmaschinerie und der Konjunktur des Krieges unterworfen. In Deutschland haben wir schon zweimal gesehen, wohin es führt, wenn sich die Bevölkerung in einen Kriegskurs einbinden lässt.

UZ: Die Gewerkschaften sind weitgehend eingebunden in den Kriegskurs. Wie wird in deiner Gewerkschaftsgliederung über die beispiellose Aufrüstung diskutiert?

Florian Hainrich: Ich bin Mitglied in zwei Gewerkschaften, der IG Metall und der GEW. In beiden nehme ich durchaus Widerspruch war. Die GEW wendet sich weiterhin dagegen, dass Minderjährige von der Bundeswehr rekrutiert werden. Dort gibt es auch gute Beschlüsse zur Zivilklausel. In der IG Metall gibt es die gute Tradition der Rüstungskonversion. Ich komme aus Kiel. Dort gab es Arbeitskreise, die mit Rüstungsbeschäftigten über Konversion diskutiert haben. Das ist Jahrzehnte her. Heute erleben wir umgekehrte Konversion.

Was das praktische Handeln vor Ort angeht: In allen Gewerkschaften sehe ich das Problem, dass noch zu wenige Kolleginnen und Kollegen gegen den Kriegskurs auf die Straße gehen und sich in anderen Formaten engagieren. Darum müssen wir ringen!

Die Einheitsgewerkschaften spiegeln die Gesellschaft wider. Da gibt es durchaus Befürworter der Aufrüstung. Auch in der IG Metall, vor allem unter Beschäftigten, die dort arbeiten. Das ist menschlich nachvollziehbar, greift aber zu kurz.

In der GEW und im Öffentlichen Dienst allgemein gibt es eine gewisse Obrigkeitshörigkeit und ein Mitgehen mit dem Kriegskurs. Das erfordert immer wieder Diskussionen, die nicht einfach sind.

UZ: Mit welchen Erwartungen fährst du nach Salzgitter?

Florian Hainrich: Ich erwarte vor allem, dass sich Kolleginnen und Kollegen, die kritisch zur Aufrüstung und zum Kriegskurs der Bundesregierung stehen, austauschen, Gemeinsamkeiten finden und diskutieren, wie wir innerhalb der Gewerkschaften mehr werden können. Darüber, wie es uns gelingen kann, mehr Kolleginnen und Kollegen in die Debatten und auf die Straße zu bringen. Dafür ist es notwendig, dass wir die Konferenz in unseren gewerkschaftlichen Gliederungen nachbereiten. Dass wir etwa auf Delegiertenversammlungen berichten, wie sie gelaufen ist und was für Impulse von ihr ausgegangen sind. Wir wollen möglichst viele Kolleginnen und Kollegen mit den Inhalten der Konferenz in Berührung bringen.

UZ: Die IG Metall hat auf ihrem letzten Gewerkschaftstag beschlossen, sich für Rüstungskonversion einzusetzen und „die Friedensbewegung revitalisieren“ zu wollen. Ein Bezirksleiter der IG Metall meinte danach, man brauche die Rüstungsproduktion „in diesen Zeiten“. Was können Gewerkschafter unternehmen, damit sich ihre Führung an Beschlüsse hält?

Florian Hainrich: Einerseits, dass sie um Mehrheiten in den Gliederungen ringen. Indem sie Beschlussuntreue in ihren Vertreter- oder Delegiertenversammlungen thematisieren. Es ist auch nicht schlecht, wenn Kolleginnen und Kollegen im Betrieb Unterschriften sammeln, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen. Am wichtigsten ist allerdings, Teil der gewerkschaftlichen Strukturen zu sein und dort auf die Einhaltung von Beschlüssen zu pochen. Das ist nicht einfach, aber das ist der Job aller, die mehr wollen als „Sozialpartnerschaft“.

UZ: Der nächste Gewerkschaftstag der IG Metall findet 2027 statt. Auch bei anderen DGB-Gewerkschaften stehen in mittelbarer Zukunft Gewerkschaftstage an. Wie können wir die Ergebnisse der Konferenz in Salzgitter auf diese Gewerkschaftstage tragen?

Florian Hainrich: Entscheidend ist, dass es Anträge zu den Themen gibt. Dafür müssen Impulse von den Gliederungen ausgehen wie der, den Berliner Appell zu unterstützen oder die Initiative Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg. Es ist wichtig, Positionen zu Anträgen einzubringen, die sich gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, gegen öffentliche Auftritte der Bundeswehr, gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht, gegen umgekehrte Konversion richten – und für reale Rüstungskonversion aussprechen.

Dann geht es auch darum, in den lokalen Gliederungen zu diskutieren, was daraus praktisch im Betrieb und vor Ort folgt. Aufgabe aller Friedenskräfte ist es, sowohl bei der Antragsformulierung und beim inhaltlichen Kampf um diese Anträge federführend zu sein, als auch auf der Straße, bei den Aktivitäten und im Betrieb. Die Diskussionen würde ich jetzt beginnen, das ist ja ein langer Prozess.

Weitere Infos zur Konferenz gibt es auf der Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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"Vor Ort diskutieren – jetzt", UZ vom 4. Juli 2025



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