Nun sollen Schröder und Rürup Kaiser’s Tengelmann retten

Das letzte Aufgebot

Von Herbert Schedlbauer

Nach der Filetierung des Warenhausriesen Karstadt und dem Verkauf von Kaufhof zerstört nun der Lebensmittelkonzern Kaiser’s Tengelmann die Zukunft und Existenz von rund 16 000 Beschäftigten.

Am 16. Oktober begann der Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub mit der Zerschlagung der Lebensmittelkette. Schuld ist die jahrelange Vernachlässigung vieler Filialen. So wurden in Nordrhein-Westfalen immer wieder Investitionen verweigert, berichten Betriebsräte. Rentabel waren die auch ohne Modernisierung. Spätere Gewinneinbrüche bei Kaiser’s Tengelmann wurden durch OBI und KiK kompensiert. Haub, dem auch diese Imperien gehören, setzte zur Absicherung seiner Profite bei der Baumarkt- und Textilkette den Rotstift beim Personal an.

Was wir jetzt im Lebensmitteleinzelhandel erleben, ist völlig normal für diese Gesellschaftsordnung. Erreicht man nicht die geplanten Profite, wird der Arbeitsdruck erhöht, oft mit einer Kürzung der Löhne. Oder den Beschäftigten wird gekündigt.

Haub orientierte zuerst auf den Verkauf seiner Lebensmittelläden. Wohl wissend, dass dies für ihn das profitablere Geschäft gewesen wäre. Kaufen sollte nach seiner Vorstellung Edeka. Der Deal wurde schon vor zwei Jahren eingefädelt. Doch das Kartellamt sagte nein, weil Edeka bereits die Nummer eins in der Branche ist. Rewe, Norma und Markant boten zwar mit. Der Tengelmann-Boss, mit ihm auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), legten sich aber für den blaugelben Konkurrenten ins Zeug. Unterstützt wurden sie dabei von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Vorteil dieser Lösung wäre eine Absicherung der Arbeitsplätze bis zu fünf Jahren gewesen. Nach den schon ausgehandelten Verträgen und mit Einverständnis von ver.di hätten die guten und die Filialen mit Verlusten als Gesamtpaket durch Edeka übernommen werden müssen. Doch anscheinend hat dies Markus Mosa, Vorstandsvorsitzender der Edeka, noch einmal gegengerechnet. In vielen Städten liegen Kaiser’s Tengelmann und Edeka eng beieinander. Belegschaftsvertreter sagten, dass Mosa die dadurch entstehenden höheren Kosten nicht akzeptiert habe.

Bei dem Gerangel um eine Übernahme ist auch der Konkurrent Rewe dabei. Deren Chef Alain Caparros will gewinnbringende Stücke des Kuchens. Dazu gehören zum Beispiel München und Berlin.

Nun soll ein Schlichtungsverfahren eine Lösung bringen. Zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe wurde bekannt, dass auf Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske sich Edeka, Tengelmann und Rewe auf ein solches Verfahren unter Leitung des früheren Basta-Kanzlers Gerhard Schröder geeinigt hätten. Für Lösung im Sinne des Kapitals spricht ebenfalls, dass mit Bert Rürup einer der profiliertesten Sozialraubexperten an diesen Beratungen teilnehmen wird.

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"Das letzte Aufgebot", UZ vom 28. Oktober 2016



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