Israel hat jahrzehntelang den Mythos kultiviert, militärisch unbesiegbar zu sein – ein Mythos, der in den westlichen Medien eifrig wiederholt wird und der US-Außenpolitik als unerschütterliche Tatsache gilt. Aber wenn man die Propaganda Schicht für Schicht abkratzt, sieht die Realität ganz anders aus.
Der Ruf des israelischen Militärs beruht nicht auf nachhaltiger Kampfkraft auf dem Schlachtfeld, sondern auf Überraschungsangriffen gegen schwächere Feinde, Unterstützung durch die USA und kolonialer Unterdrückung, die als „Verteidigung“ verkauft wird. Die Geschichte der israelischen Kriege zeigt nicht vorbildliche Stärke, sondern immer wieder Überambition und Versagen.
Dasselbe historische Muster zeigt sich einmal mehr in dem jüngsten Krieg unter Premierminister Benjamin Netanjahu gegen den Iran. Da die Donald Trump auch die Streitkräfte der USA zur Unterstützung Israels in Anschlag bringen will, lohnt es sich, einen Blick auf vergangene Konflikte zu werfen.
Die Fata Morgana von 1967
Die Illusion der militärischen Überlegenheit Israels begann mit dem Sechs-Tage-Krieg im Jahr 1967. Am 5. Juni 1967 begann Israel einen überraschenden Präventivschlag gegen die Luftstreitkräfte Ägyptens, Syriens und Jordaniens und zerstörte den Großteil ihrer Ausrüstung, bevor auch nur ein einziges Flugzeug abheben konnte.
Der Krieg war kurz, brutal und entscheidend. Israel eroberte riesige Landstriche, darunter die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und den Gazastreifen. Westliche Beobachter schwärmten von dem Sieg in dem Krieg, den sie als „David gegen Goliath“ bezeichneten, und ignorierten dabei die Tatsache, dass es David war, der zuerst zuschlug, und dass Goliath bereits vor dem Angriff gehinkt hatte.
Die Armeen der arabischen Staaten waren schlecht organisiert, schlecht vorbereitet und politisch zersplittert. Das ägyptische Militär – das stärkste der drei Länder – war von einer katastrophalen Intervention im Jemen noch immer zerrüttet. In Syrien war die Führung mit dem Kampf um innere Stabilität beschäftigt. Und Jordanien wurde durch eine Reihe irreführender Berichte und geopolitischen Druck in den Krieg hineingezogen.
Der israelische Sieg war also kein Beweis für haushoch überlegene militärische Stärke, sondern das Ergebnis eines gut geplanten Überraschungsangriffs gegen schlecht organisierte Gegner.
Demütigende Niederlage 1973
Die Aura der Unbesiegbarkeit währte nicht lange. Im Jahr 1973, zu Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag – begannen Ägypten und Syrien einen gemeinsamen Angriff, um die 1967 verlorenen Gebiet zurückzuerobern. Die israelischen Streitkräfte wurden überrumpelt.
Auf dem Sinai überquerten ägyptische Truppen unter schwerem Beschuss den Suezkanal und es gelang ihnen überraschend schnell, die israelischen Verteidigungsanlagen zu zerstören. Im Norden rückten syrische Truppen auf die Golanhöhen vor.
Erst nach Wochen, mit massivem Nachschub über eine Luftbrücke aus den USA und nach Drohungen mit Atomwaffen konnte Israel seine Position stabilisieren.
Die Armeen der arabischen Staaten wurden schließlich zurückgedrängt, doch der Krieg kratzte stark am Mythos der militärischen Überlegenheit Israels. Israel musste anerkennen, dass es arabisches Land nicht endlos besetzen und in einem ständigen Kriegszustand verharren konnte.
Der Konflikt bereitete den Weg für den Friedensvertrag, den Israel schließlich 1979 mit Ägypten schloss. Darauf musste sich Israel aus dem größten Gebiet zurückziehen, das seine Armee 1967 erobert hatte, und die Sinai-Halbinsel an Ägypten zurückzugeben. Nicht die israelische Stärke sicherte den Frieden, sondern die Tatsache, dass Israel gezwungen war, zumindest teilweise seine eigenen Grenzen zu akzeptieren.
Sackgasse Libanon
Die Lehren, die Israel daraus gezogen haben mag, waren schon wenige Jahre später vergessen, als die Führung des Landes 1982 einen weiteren Angriffskrieg begann, diesmal gegen den Libanon.
Unter dem Vorwand, die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ins Visier zu nehmen, die den Libanon als Aufmarschgebiet nutzte, um ihre Kräfte gegen die israelische Besatzung zu organisieren, marschierte Israel in den Südlibanon ein, als im Libanon von einem Bürgerkrieg zwischen mehreren Parteien heimgesucht wurde. Israel versank in eine langwierige, blutige Auseinandersetzung, geriet in militärische Sackgassen, beging Kriegsverbrechen und erlitt schließlich eine Niederlage.
Die israelische Armee belagerte Beirut, verübten gemeinsam mit rechtsextremen libanesischen Milizen Gräueltaten wie das Massaker von Sabra und Schatila und besetzten den Südlibanon schließlich fast zwei Jahrzehnte lang.
Die Aktion sollt dem Norden Israels Sicherheit bringen, doch ganz im Gegenteil radikalisierte die Besatzung eine neue Generation von Widerstandskämpfern – vor allem die Hisbollah – und schuf damit einen noch viel mächtigeren Gegner.
Israel musst sich schließlich im Jahr 2000 bei Nacht und Nebel zurückziehen und verlor dabei militärische Stellungen, Waffen und Prestige. Die Hisbollah – die Kraft, die Israel eigentlich vernichten wollte – füllte das Vakuum und übernahm die militärische Ausrüstung und militärische Stellungen.
2006: Die Hisbollah schlägt zurück
Im Jahr 2006 marschierte Israel unter dem Vorwand, entführte Soldaten zu befreien, in erneut in den Libanon ein. Was als Strafexpedition begann, wurde schnell zu einer weiteren Demütigung für Israel.
Die nun kampferprobte und besser ausgerüstete Hisbollah fügte den israelischen Streitkräften beträchtliche Verluste zu, schoss Raketen tief in israelisches Gebiet und konnte sich trotz der überwältigenden Feuerkraft Israels – von den USA finanziert und geliefert – behaupten.
Der Krieg dauerte nur etwas mehr als einen Monat, aber Israel erreichte keines seiner erklärten Ziele. Es konnte die gefangenen Soldaten nicht zurückholen (sie kehrte später im Rahmen eines Gefangenenaustausches zurück), die Hisbollah nicht vernichten und die Abschreckung nicht wiederherstellen. Eine israelische Untersuchungskommission kam zu dem Schluss, dass der Krieg ein strategischer Fehlschlag gewesen war.
Die „unbesiegbare“ Armee war erneut entlarvt worden.
Völkermord in Gaza
Nach mehr als zwei Jahren des umfassenden Krieg gegen den Gazastreifen, ein kleines Gebiet, das Israel seit Jahrzehnten ausgehungert hat, steckt Israel nun wieder einmal in einer militärischen Sackgasse, in die es sich aus freien Stücken begeben hat. Nach dem beginn eines angeblichen Entscheidungsschlages zur „Vernichtung der Hamas“ hat sich Israel in einem blutigen Krieg verstrickt und ist mit anhaltendem Widerstand und zunehmender internationaler Verurteilung konfrontiert.
Der Gazastreifen liegt in Trümmern, zehntausende Palästinenserinnen und Palästinenser wurden getötet, und dennoch ist die Hamas nach wie vor die mächtigste palästinensische Organisation in dem Gebiet. Nicht nur, dass es Israel nicht gelungen ist, sie auszuschalten, die Hamas selbst trotz ständiger Bombardierungen militärisch und politisch weiter handlungsfähig und findet dabei neue Verbündete und Sympathisanten in aller Welt.
Unterdessen steigen die Kosten für Israel. Auf ökonomischer Ebene belastet der Krieg die israelische Wirtschaft, ausländische Investitionen sind zurückgegangen und Israels internationale Kreditwürdigkeit wurde herabgesetzt. Auf politischer Ebene ist Israels „moralisches Ansehen“ im Westen ins Bodenlose gefallen. Auf militärischer Ebene hat das vielgepriesene Bild der israelischen Überlegenheit schweren Schaden gnommen.
Krieg gegen den Iran
Nun ist Israel in ein neues militärisches Abenteuer hineingetaumelt. Die israelische Führung, die noch immer an ihre eigene Propaganda über die Stärke ihrer Armee glaubt, hat wieder einmal einen Überraschungsangriff gestartet – diesmal aber nicht auf eine zersplitterte Miliz oder ein kleineres Nachbarland, sondern auf einen weitaus gefährlicheren Gegner: den Iran.
Israel ist es zwar gelungen, einige militärisch beeindruckende Eröffnungsschläge zu landen – die durch Täuschung und Überraschung erzielt wurden –, doch nun ist der Staat unerbittlichem Raketenbeschuss ausgesetzt, der sogar die von den USA finanzierten israelischen Luftabwehrsysteme durchdringt.
Die Kosten für den waghalsigen israelischen Angriff steigen. Jeder Angriff auf iranisches Territorium kostet Israel riesige Mengen an Flugzeugtreibstoff, und Israels Nachschub für die Raketenabwehr geht rasch zur Neige.
Unterdessen wird zivile Infrastruktur zerstört, die Zahl der zivilen Opfer steigt, und die Welt erkennt langsam die Wahrheit: Israel hat weder die Kapazitäten noch eine Strategie, um seine erklärten Ziele – die Zerschlagung des iranischen Nuklarprogramms oder den Sturz der iranischen Regierung – zu erreichen.
Während sich langsam Panik breitmacht, hofft Israel immer verzweifelter auf ein Eingreifen USA, in der Hoffnung, dass die US-amerikanischen Streitkräfte das erreichen können, was dem israelischen Militär nicht gelingt. Ein solcher Schritt würde natürlich eine lange und blutige Geschichte ignorieren – die lange Liste der gescheiterten Abenteuer des US-amerikanischen Militärs im gesamten Nahen Osten. Die Wahnvorstellung militärischer Macht droht birgt wieder einmal die Gefahr, die Region in ein noch tieferes Chaos zu stürzen.
Herbeiphantasierte Stärke, reale Schwäche
Israels vermeintliche militärische Stärke hat immer wieder auf Überraschungsangriffen, auf Angriffen auf schwächere Gegner und auf der uneingeschränkten Unterstützung durch die USA beruht – nicht auf brillanten Strategien oder moralischer Legitimität. Wann immer Israel mit einem langwierigen Konflikt gegen fähige Widerstandskräfte konfrontiert war, ist es gescheitert.
Der Mythos der israelischen Unbesiegbarkeit wurde lange Zeit als ideologische Waffe eingesetzt, um endlose US-Militärhilfe, Besatzung, Apartheid und koloniale Expansion zu rechtfertigen. Aber mit Mythen gewinnt man keinen Krieg. Mythen besiegen keine Völker, die mit Entschlossenheit für ihre Befreiung und ihr nationales Überleben kämpfen. Und Mythen können nicht die Tatsache übertünchen, dass Israels Kriegsmaschinerie kein Symbol der Stärke ist, sondern eine Maske, die eine tiefe politische, strategische und moralische Schwäche kaschieren soll.
Die Geschichte ist eindeutig. Wenn sich das Blatt des Krieges wendet, zieht sich Israel entweder zurück oder wird in die Enge getrieben und geschlagen. Nun, da es mit dem Iran einen weitaus stärkeren Gegner hat, führt es einen Krieg, den es nicht gewinnen kann. Und in der Zwischenzeit zahlt die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten den Preis dafür – weil die israelische Führung noch immer an ihre eigenen Lügen glaubt.
Aus: People’s World. Übersetzung und Bearbeitung: UZ