Im Nahen Osten gibt es nur ein Land, das Atomwaffen besitzt: Israel

Ignorierte Gefahr

Natanz, Buschehr, Fordo und Isfahan – das sind die Namen der vier Orte, an denen sich die wichtigsten Einrichtungen des iranischen Atomprogramms befinden. Drei der vier Orte wurden in der Nacht zum Sonntag von den USA in enger Abstimmung mit Israel bombardiert.

Der Atomreaktor Buschehr, dessen Geschichte bis in die Zeit des Schah zurückreicht und der nach vielen Widerständen der USA schließlich von russischen Unternehmen gebaut wurde und 2011 ans Netz ging, wurde nicht angegriffen. Wladimir Putin ließ die russischen Techniker, die dort arbeiten, nicht abziehen. Selbst für US-Präsident Donald Trump war damit ein Angriff auf Buschehr ausgeschlossen.

Die anderen Anlagen waren Ziele von Angriffen – und nicht zum ersten Mal. Seit vielen Jahren lässt Israel iranische Wissenschaftler ermorden und Sabotageakte gegen das iranische Atomprogramm durchführen.

Zu den bekannteren Angriffen gehört das Computervirus Stuxnet, das offenbar dazu führte, dass Tausende Zentrifugen beschädigt wurden. Dieses Virus blieb nicht auf iranische Zentrifugen beschränkt. Er wurde auf Tausenden PCs und in Anlagesteuerungen weltweit gefunden.

Am stärksten betroffen von Sabotageaktionen war die Anlage in Natanz. Dazu gehörten Anschläge auf die Stromversorgung, sodass bereits vor den Angriffen durch Israel und USA nur ein Teil der vorgesehenen Zentrifugen im Betrieb war.

Die Universitätsstadt Isfahan ist das Zentrum der iranischen Atomtechnologie. Es werden Brennstäbe produziert und Uran in das gasförmige Uranhexafluorid umgewandelt, das schließlich in Zentrifugen angereichert werden kann.

Die Anlage zur Urananreicherung in Natanz ist ebenso wie die Anlage Fordo unterirdisch angelegt und durch Berge geschützt. Wie groß die Schäden wirklich sind, die die US-Cruise-Missiles und wenige „bunkerbrechende“ Bomben angerichtet haben, lässt sich vorerst nicht einmal erahnen. Offensichtlich waren iranische Behörden auf den absehbaren Angriff eingerichtet. Mitarbeiter wurden bis auf ein Minimum evakuiert, das bereits auf 60 Prozent angereicherte Uran wurde an einen „unbekannten Ort“ verbracht.

Iran hat den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben und damit werden alle Anlagen durch die vom Westen dominierte IAEA überwacht – manchmal auch im Sinne geheimdienstlicher Aktivitäten. Als Vertragspartei hat Iran nicht nur das Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie. Laut Vertrag könnte Iran sogar auf die Unterstützung durch die Atommächte zählen. Nach dem US-Angriff beschloss das iranische Parlament den Ausstieg aus dem Sperrvertrag.

Anders als Iran hat Israel den Atomwaffensperrvertrag nie unterschrieben. Das Zentrum der israelischen Atomtechnologie, das „Nuclear Research Center“ liegt bei Dimona und wurde jahrelang als Textilfabrik ausgegeben. Erst der Nukleartechniker Mordechai Vanunu machte 1985 öffentlich, dass Israel Nuklearwaffen besitzt. Dass seine Angaben korrekt waren, beweist das Urteil: er wurde zu 18 Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt.

Da Israel die eigenen nuklearen Fähigkeiten nach wie vor geheim hält, gibt es weit auseinanderliegende Schätzungen über die Zahl der israelischen Atomsprengköpfe. Sie reichen von 100 bis zu 400 Atombomben, von kleinen 20-Kilotonnen-Bomben bis womöglich zu Neutronenbomben oder gar Wasserstoffbomben.

Dass Israel im Falle einer existenziellen Bedrohung durchaus gewillt ist, die Region mit Atomwaffen zu zerstören, machte Ministerpräsidentin Golda Meir deutlich, als sie im Oktober- beziehungsweise Jom-Kippur-Krieg mit ihrem Einsatz drohte.

Es bleibt bizarr, wie Benjamin Netanjahu seit 30 Jahren den unmittelbar bevorstehenden Erwerb von Atomwaffen durch den Iran behauptet – und wie die Medien das ernst nehmen und reale israelische Atomwaffen ignorieren.

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"Ignorierte Gefahr", UZ vom 27. Juni 2025



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