Am Sonntag tötet Israel bei einem Angriff auf ein Verteilzentrum für Hilfsgüter mindestens 31 Menschen, mehr als 180 werden verletzt. In der Nacht zum Dienstag eröffnet die israelische Armee das Feuer auf Menschen, die zu einem Verteilzentrum unterwegs sind: Mindestens 27 Tote, 186 Verletzte. Die von USA und Israel unterstützte und undurchsichtig finanzierte „Gaza Humanitarian Foundation“ bestreitet die Angriffe vom Sonntag, es habe bei der Verteilung keine Zwischenfälle gegeben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz teilte mit, dass fast 180 Verletzte und 20 Tote nach den Angriffen in ihr Feldlazarett in Rafah gebracht wurden.
Wenn Palästinenserinnen und Palästinenser den lebensgefährlichen Weg zu den Verteilzentren überstehen, bedeutet das noch lange nicht, dass ihnen geholfen wird. Nach Augenzeugenberichten sind die Verteilzentren häufig leer – lange bevor auch nur ein Bruchteil der Menschen Wasser und Nahrung bekommen hat.
Ein neuer Aufschrei, der um die Welt geht und – von Israel ignoriert – verhallt. Denn Folgen gibt es für Israel keine – Waffenlieferungen werden zwar in Frage gestellt, aber nicht ausgesetzt. Auch Sanktionen – sonst beliebtes Mittel in der „westlichen Wertegemeinschaft“ – bringt niemand ins Spiel. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) telefoniert zwar mit Benjamin Netanjahu und spricht darüber, dass humanitäre Hilfe dringend erforderlich sei, doch teilt Regierungssprecher Stefan Kornelius mit, Merz habe in dem Telefonat hervorgehoben, dass Sicherheit und Existenzrecht Israels deutsche Staatsräson seien.
Um die Blockade Gazas zumindest symbolisch zu durchbrechen, ist am Sonntag vom sizilianischen Catania aus das Segelboot „Madleen“ von der „Freedom Flotilla“ in See gestochen. Die zwölf Aktivisten an Bord – unter ihnen Greta Thunberg – sind mit dem Ziel Gaza unterwegs, im Gepäck haben sie lebensnotwendige Hilfsgüter. Ihre Reise führt sie durch mehrere Hoheitsgewässer europäischer Staaten, internationales Gewässer und schließlich palästinensisches – Israel darf die „Madleen“ nicht angreifen. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass genau das passiert. Ende Mai 2010 hatte Israel mit Sondereinsatzkräften in internationalen Gewässern die Schiffe der „Freedom Flotilla“ überfallen und neun der Aktivisten an Bord getötet. Auch damals war die „Freedom Flotilla“ nach Gaza unterwegs und hatte unter anderem Kinderspielzeug an Bord. Am 2. Mai dieses Jahres ist die „Conscience“ von Malta aus Richtung Gaza aufgebrochen. Sie wurde von israelischen Drohnen angegriffen, sobald sie internationale Gewässer erreicht hatte.
Während westliche Politiker sich ihrem leeren Geschwätz über Israels Verantwortung für Zivilisten hingeben, riskieren die zwölf Besatzungsmitglieder der „Madleen“ ihr Leben, um nicht nur Hilfsgüter, sondern vor allem Solidarität nach Gaza zu bringen. Diese brauchen die Palästinenserinnen und Palästinenser mehr denn je. Deswegen muss es jetzt nicht nur heißen „Alle Augen auf Gaza“, sondern auch „Alle Augen aufs Deck“. Israel muss wissen, dass die Welt nicht wegsehen wird.