Dokumentation über das Essener Metal-Schwergewicht „Kreator“

Ein Schweinchen namens Kotelett

Wer kennt’s nicht: Im Restaurant von Nelson Müller neben Lars Eidinger sitzen und bei alkoholfreiem Rosé über die eigenen Essgewohnheiten reden. Miland „Mille“ Petrozza ernährt sich vegan – und dass er seinen mit Ende 50 beachtlichen Muskelbau vornehmlich Yoga verdankt, das steckt er später „Nergal“, dem Frontmann des Danziger Schwermetall-Sommerschlussverkaufs „Behemoth“. Regisseurin Cordula Kablitz-Post, die unter anderem bereits Nina Hagen („Godmother of Punk“, 2011) sowie 2022 H. P. Baxxter und Co. („FCK 2020 – Zweieinhalb Jahre mit Scooter“) porträtierte, hat der Altessener Thrash-Metal-Institution „Kreator“ zum 40. Jubiläum ihres Debütalbums „Endless Pain“ eine abendfüllende Dokumentation gewidmet.

„Hate & Hope“ steht auf den Plakaten – „Dystopie und Hoffnung“ auf der Webseite der das Projekt fördernden Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen. Der Arbeitsuntertitel findet sich auch auf dem Ticket des Ostleipziger Kinos, wo, wie andernorts, in viele Richtungen gehasst wird. „Hate & Hope“ entspricht nicht nur mehr „Kreator“ wegen ihres aktuellen Albums „Hate über alles“ (2022). Wie Maik Weichert, Gitarrist, wenn man so will, Pressesprecher, und wenn er so will, Bandphilosoph der Thüringer „Heaven Shall Burn“, erklärt, ist es unschicklich, seinen Chef mit dem Schwert zu erschlagen. Aber die Kanalisierung und das Produktivwerden von Hass und Wut, die findet sich bei „Kreator“.

Gemeinsam mit Weichert besucht Sänger und Rhythmusgitarrist Mille die Gedenkstätte des KZ Buchenwald. Sie sorgen sich über die Rechtsentwicklung beziehungsweise deren Ausdruck im Wahlverhalten. Nicht erst seit heute: „Kreator“ trugen den Antifaschismus in eine wenig politisierte Metalszene und einen Osten der 1990er, in denen nichts blühte außer Arbeitslosigkeit und Baseballschläger. Damit einhergehende Konflikte auf und hinter der Bühne – etwa in den 1990ern auf USA-Tour, als man sich mit der Death-Metal-Band „Morbid Angel“ darüber zerstritt, ob ein Hitlergruß im Publikum Grund zum Rausschmiss oder von der Meinungsfreiheit gedeckt sei – bleiben unerwähnt.

Stattdessen das Banddokumentationen eigene Geplänkel und lästige Schleichwerbung: Bassist Frédéric Leclercq putzt Zähne vor dem Auftritt. „Ärzte-Drummer“ und Hobbyschreiber Bela B. Felsenheimer präsentiert eine „Kreator“-Actionfigur, die zufällig von der Firma hergestellt wird, deren Miteigentümer er ist (anders als gezeigt aber wird das Plasteviech nicht in Folie verpackt versendet, schließlich achte man auf das Klima). Ein ehemaliger Manager soll von Drummer Jürgen „Ventor“ Reil in dessen durch Pfandkisten und Merchandiseramsch nestwarm gehaltener kleiner Wohnung einen Kaffee bekommen – die Maschine streikt, stattdessen gibt es Stauder-Pils.

„Wenn du schlau bist, gehst du nicht unter Tage“, so der Ratschlag, der Ventor von seinem Vater erteilt worden sei. Nach einem „Kiss“-Konzert und einer Rabattaktion im hiesigen Musik-laden gründen Ventor und Mille noch als Schüler 1982 „Tyrant“, die sich erst in „Tormentor“ und dann in „Kreator“ umbenennen. Der erste Plattenvertrag kommt früh und – anders als für die anderen drei der großen Vier des Teutonic Thrash Metal, „Destruction“, „Sodom“ und „Tankard“ – wird der Ruhm global und bleibt beständig.

„Enemy of God“: Auf Asientour geht es um Zensur, denn in Malaysia habe man keinen religionskritischen Song spielen dürfen, was in seiner Repressionsdimension dem gleichkäme, würde man Messi verbieten, beim Spielen die Füße zu benutzen. In Indonesien wird auch Halt gemacht, aber kein Wort darüber verloren, dass im brutal antikommunistischen Staat in Südostasien schon Verhaftungen folgten, wenn Händler die Reproduktion eines Konzertshirts (Ostberlin 1990) feilboten, auf dem Hammer und Sichel zu sehen sind. In China dagegen habe man alle Songs spielen können, nur der aufblasbare Gummipuppendämon habe in seiner Tasche bleiben müssen. Mille gibt die so wenig erhellende wie wiederum sehr erheiternde Erklärung eines großen Kindes: Na ja, die Chinesen stehen ja mehr auf Drachen.

Brüche finden sich kaum im Film. Äußere, gar politische Zusammenhänge fallen über den Rand. Der latente Wahnsinn des „Messias“ und „Heilands“ Mille blitzt selten auf, etwa wenn man ihm den Ingwershot andreht und sich herausstellt, dass doch Alkohol drin ist. Aber auch nach mediokren Gigs hat man sich grundsätzlich lieb, schließlich seien Fehler ja „authentisch“.

Dem 2024er-Tourplan entsprechend, aber filmdramaturgisch unnötig, landen „Kreator“ letztlich im Sehnsuchtsland des Thrash – den USA –, wo sie in einem Restaurant in Los Angeles von einem vor der Pfanne geretteten Schweinchen namens Pork Chop (Schweinekotelett) begrüßt werden. Beim Essen geht es um alte Zeiten, als sich einst ein nach L. A. mitreisender Kumpel von Mille im Dauerrausch habe abziehen lassen. Was mit ihm passiert sei, fragt der erst 2019 zur Band gestoßene Bassist. Er liege auf dem Nordfriedhof, sagt Mille und das Gelächter am Tisch ist seltsam groß.

So plätschert „Kreator – Hate & Hope“ seinem Ende entgegen und ist ab der Hälfte in jene Langeweile zurückgekehrt, aus der heraus ein paar Ruhrpottjungs die größte Metalband des deutschsprachigen Raums gründeten.

„Kreator – Hate & Hope“
Regie: Cordula Kablitz-Post
Im Kino

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"Ein Schweinchen namens Kotelett", UZ vom 19. September 2025



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