Zur Veröffentlichung eines Gesprächs von Luftwaffenoffizieren, nach der die Wahrheit zum „Informationskrieg“ verklärt wird

Eine Lektion über „Desinformation“

In der Europäischen Union, in der NATO, also in den Staaten des zunehmend kriegslüstern auftretenden „Wertewestens“ werden seit langer Zeit umfangreiche Anstrengungen unternommen, um uns vor „Desinformation“ zu schützen. Was damit gemeint ist, wurde uns an diesem Wochenende sehr konkret vorgeführt.

Was ist geschehen? Vier hochrangige Offiziere der Luftwaffe der deutschen Bundeswehr, unter ihnen der höchste Kommandeur dieser Truppe, veranstalteten eine Telefonkonferenz, in deren Verlauf sie sehr konkret diskutierten, auf welche Weise die Krimbrücke zerstört werden könnte, die russisches Festland mit der Halbinsel Krim verbindet. Das ist seit zwei Jahren eines der Kriegsziele der Ukraine; bisherige Angriffe sind allerdings nicht besonders wirkungsvoll abgelaufen. Nun soll die Wunderwaffe „Taurus“ zum Einsatz kommen, deren Lieferung an Kiew sowohl die dortigen Kriegsfalken als auch die in Berlin und Umgebung immer heftiger fordern.

Die deutschen Generäle erörtern nicht nur, wie viele „Taurus“-Raketen notwendig wären, sie sind sich auch darüber einig, dass die entsprechenden Daten nur durch direkte deutsche Beteiligung wirkungsvoll verwendet werden können, weil eine Unterweisung der ukrainischen Kameraden zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Und sie kommen zu dem Punkt, vor dem der deutsche Kanzler gewarnt hatte, nämlich den direkten Kriegseinsatz deutscher Militärs. Ganz nebenbei plaudern sie aus, was allgemein bekannt ist, aber offiziell geheim gehalten wird, nämlich dass NATO-Kameraden aus Britannien, Frankreich oder den USA längst im ukrainischen Kriegsgebiet aktiv sind.

Dummerweise wird das Gespräch abgehört, mitgeschnitten und veröffentlicht. Das führt in Berlin zu einem Sturm der Entrüstung. Der aber richtet sich nicht etwa gegen die dem deutschen Grundgesetz widersprechende Kriegsplanung deutscher Generäle, sondern gegen diejenigen, die den Skandal aufgedeckt haben.

Nach einer kurzen Zeit der Bestürzung wird von keiner deutschen Stelle die Echtheit des Mitschnitts angezweifelt. Das zuständige Ministerium des sozialdemokratischen Kriegsministers Pistorius räumt sogar ein, das Gespräch habe „so stattgefunden“. Und was macht der Minister? Er tritt vor die Kameras und verwahrt sich gegen „Putins Informationskrieg“. Im staatlichen ZDF erhalten die Zuschauer dann noch eine Lektion über russische „Desinformationen“.

Wir lernen daraus, dass derjenige, der Informationen wahrheitsgemäß weitergibt, in den Augen der „Werte“-Politiker eindeutig „Desinformation“ betreibt. Nicht die Planung einer militärischen Aktion gegen ein Land, mit dem man sich offiziell gar nicht im Kriegszustand befindet, muss also bestraft werden, sondern der Bote, der die Nachricht darüber weitergibt.

Das erinnert an den Fall des Journalisten Julian Assange, der Berichte über eindeutige Kriegsverbrechen der USA-Truppen im Irak und in Afghanistan auf der Internet-Plattform Wikileaks veröffentlichte. Gut in Erinnerung ist uns ein Video, das zeigt, wie Piloten eines US-amerikanischen Hubschraubers lachend auf irakische Zivilpersonen schießen. Julian Assange wurde von der US-Justiz des Verrats angeklagt, was im Fall einer Auslieferung an die USA mit bis zu 175 Jahren Gefängnis bestraft werden kann.

Dass die Politiker im „Wertewesten“ nicht bereit sind, sich für Julian Assange einzusetzen, darf angesichts der jüngsten Vorgänge nicht verwundern.

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