Friedensbündnis wendet sich mit Fragen und Forderungen an die Landeshauptstadt Wiesbaden

Teil der Tötungskette

Das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung hat sich in einem Schreiben an die Landeshauptstadt (LH) Wiesbaden gewendet – und verlangt Antworten. Die Anfragen und Forderungen betreffen drei Themenbereiche, die die Militärstandorte in Erbenheim und Mainz-Kastel betreffen. Wir dokumentieren das Schreiben in Auszügen.

Zur 2026 geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland

Bekanntlich ist bereits seit 2021 das Befehlskommando über die Mittelstreckenraketen, das 56. Artilleriekommando, auf dem Gelände Storage Station in Mainz-Kastel stationiert. Eingebunden in die Befehlsstruktur ist auch die zeitgleich stationierte 2. Multi Domain Task Force (MDTF).

Nun hat die IALANA, Vereinigung für Friedensrecht, am 25. März eine umfassende verfassungsrechtliche Bewertung bekannt gemacht. Es wird dargelegt, dass die bilateral vereinbarte Raketenstationierung verfassungswidrig ist. Trifft dies zu, dann läge in der Stationierung der Befehlseinheiten ein Verstoß gegen deutsches Recht vor und die Befehlseinheiten dürften die Liegenschaften in Wiesbaden nicht mehr nutzen.

Wir fordern daher die zuständigen Gremien der LH Wiesbaden auf, wenn sie diese Auffassung teilen, an die zuständigen Stellen heranzutreten mit der Aufforderung, ein Nutzungsverbot auszusprechen und, sollte dies nicht nachvollziehbar beachtet werden, die Nutzungsüberlassungsvereinbarung zu kündigen.

Sollte die LH Wiesbaden aus eigener Sachkunde keine abschließende Bewertung bezüglich der Verfassungswidrigkeit der Stationierungsvereinbarung vornehmen können, fordern wir, eine Bewertung durch Dritte vornehmen zu lassen.
(…)

Zum möglichen Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern
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Unabhängig von einer Eskalation des Kriegsgeschehens und möglichen Gegenreaktionen wird (in einer Pressemitteilung des Erhard-Eppler-Kreises der SPD) fundiert dargelegt, dass es sich in diesem Fall um eine deutsche Kriegsbeteiligung handeln würde, die es ja nach offiziellen Verlautbarungen nicht geben soll.

Die Bedeutung für Wiesbaden liegt darin, dass die hiesigen Militärstandorte in den Taurus-Einsatz eingebunden sein könnten. Wir fordern die LH Wiesbaden daher auf, so wie es die Rechtslage gebietet, Informations- und Anhörungsrechte bereits jetzt auszuüben, bevor diese leerlaufen und mit einem möglichen Taurus-Einsatz unumstößliche Fakten geschaffen würden.

Die zuständigen Gremien der LH Wiesbaden müssen bei der US-Garnison, den für die Nutzung der Liegenschaften zuständigen deutschen Stellen und dem Bundesministerium der Verteidigung nachfragen, ob und in welcher Weise im Falle von Taurus-Lieferungen an die Ukraine und dem Einsatz dieser Marschflugkörper die Wiesbadener US-Militäreinrichtungen und das NATO-Unterstützungskommando Ukraine beteiligt sein werden. Sollte eine Beteiligung bejaht werden, so fordern wir dazu auf, auf eine Untersagung einer solchen Beteiligung hinzuwirken und darüber von der Bundesregierung zu verlangen, keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine vorzunehmen, weil damit eine verfassungswidrige Kriegsbeteiligung Deutschlands verbunden wäre (Verstöße etwa gegen die Friedensgebote im Grundgesetz und der Hessischen Verfassung, Artikel 26 GG und Artikel 69 HV).

Wiesbaden als „Teil der Tötungskette“
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Im Kern geht es darum, dass von den US-Liegenschaften in Wiesbaden konkrete Kriegseinsätze geplant und gesteuert wurden. (…)

„Dem Artikel zufolge lag das Herz dieser Partnerschaft in der Einrichtung der US-Armee in Wiesbaden, wo amerikanische und ukrainische Offiziere jeden Morgen die Zielvorgaben festlegten. Die Offiziere vermieden angeblich jedoch, diese Prioritäten ‚Ziele‘ zu nennen und entschieden stattdessen, sie als ‚point of interest‘ zu bezeichnen. Die NYT enthüllte zudem, amerikanische und ukrainische Offiziere hätten zusammen größere Gegenoffensiven geplant und massive Angriffe mit weitreichenden westlichen Präzisionswaffen gegen die Krim gestartet. Die Angriffe, die mit vom Westen gelieferten Waffen durchgeführt wurden, forderten vor allem zivile Opfer. Beispielsweise wurden bei einem Angriff mit ATACMS auf einen Strand in Sewastopol im Juni 2024 vier Menschen getötet und mehr als 150 verletzt.“ (Anm. d. Red.: Das Bündnis zitiert hier einen bei „RT.DE“ erschienen Artikel, der sich mit einem Bericht der „New York Times“ (NYT) vom 29. März auseinandersetzt.)

Auch bei den Angriffen der Ukraine im russischen Gebiet Kursk sind Zivilisten getötet worden. Dieser Einsatz geschah wohl ebenfalls mit direkter Steuerung von Wiesbaden aus.

Im Krieg leiden Zivilisten am meisten, konkret hier natürlich die Menschen in der Ukraine. Will die LH Wiesbaden hinnehmen, dass dieser Krieg weiter von Wiesbaden aus gesteuert wird, auch mit der Folge von möglichen Kriegsverbrechen?

Es gilt schließlich der Grundsatz, dass von deutschem Boden kein Krieg (mehr) ausgehen soll und es gelten die Friedensgebote aus Art. 26 GG und 69 HV, die neben der Ächtung von Krieg auch das Gebot enthalten, alle denkbaren diplomatischen Initiativen zu ergreifen, um Kriege zu vermeiden oder zu beenden.

Wir fordern die verantwortlichen Gremien der LH Wiesbaden und Herrn Oberbürgermeister Mende als „Mayor for Peace“ auf, sich unter Darlegung der speziellen Situation Wiesbadens für diplomatische Lösungen einzusetzen und an die Verantwortlichen in den hiesigen US-Militäreinrichtungen zu appellieren, die konkrete Planung und Durchführung von Kriegseinsätzen zu unterlassen.

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"Teil der Tötungskette", UZ vom 30. Mai 2025



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