Fünf deutsche Großkonzerne sprechen sich gegen Antisemitismus aus

Freigekauft?

In unseren „Leit“-Medien konnte man am 26. Januar lesen: „Gegen Antisemitismus und Rassismus: Fünf deutsche Konzerne setzen vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag starkes Zeichen. Borussia Dortmund, Daimler, Deutsche Bahn, Deutsche Bank und Volkswagen veröffentlichen mit dem Freundeskreis Yad Vashem auf virtueller Gedenkfeier gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus und Rassismus.“ Die fünf stellten sich damit „ihrer historischen Verantwortung“ und „setzen in einer digitalen Gedenkfeier ein starkes Zeichen für Freiheit, Demokratie, Vielfalt und ein friedliches Miteinander“. Das klingt freundlich. Es duftet geradezu nach sauberem Imperialismus, nach aseptischer Ausbeutung ohne hässliche Flecken aus der Vergangenheit.

Und man reibt sich verwundert die Augen: Die Deutsche Bank vorne­dran, die Hitler und seine Schergen an die Macht brachte, die zügig ihre Belegschaft „judenrein“ machte und eilig ans „Arisieren“ gegangen war. Die Deutsche Bank, die vielfach die westdeutsche Justiz bemüht hat, damit die historische Wahrheit über ihre kriminelle Rolle und die ihres langjährigen Vorstandsvorsitzenden Abs nicht ans Licht kommen sollte – diese Deutsche Bank will sich auf einmal der historischen Verantwortung stellen? Und die Deutsche Bahn? Millionen Juden, Sinti, Roma in Viehwaggons zusammengepfercht und in die Vernichtungslager transportiert. Die Deutsche Bahn, die noch vor wenigen Jahren den „Zug der Erinnerung“ behinderte, um die Verantwortung für ihre verbrecherische Rolle im NS-Regime zu vertuschen. Auch die Verantwortung von Daimler und Volkswagen und dessen schwer belastetem Eigentümerclan Porsche/Piëch für Faschismus und Krieg, für Antisemitismus, Rassismus und Herrenmenschen­ideologie ist bekannt. Aber Borussia Dortmund? Gibt es da nicht beim BVB selbst und in Dortmund genug zu tun? Was hat denn dieser ehemalige Arbeiterverein aus dem Norden Dortmunds, dessen Spieler einstmals eine rote Schärpe über dem damals blau-weißen Trikot trugen, um die Nähe zur Arbeiterbewegung zu zeigen, was hat denn der BVB in diesem illustren Heuchlerkartell zu suchen? Der BVB, der durch das tausendjährige Reich, im Vergleich zu Schalke etwa, mit ein paar braunen Flecken weniger gekommen ist? Man darf jedenfalls gespannt sein, ob der Verein deutlichere Zeichen gegen die widerliche Nazi-Szene in Dortmund setzt.

Dass die Konzerne für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gespendet haben, ist gut. Auch wenn es eher nach Herausstehlen aus der Verantwortung schmeckt, jetzt, da es kaum noch Überlebende des Holocaust gibt und Ansprüche nicht mehr zu erwarten sind. Man erinnere sich noch an das schäbige Verhalten des deutschen Finanzkapitals im Jahr 2000 bei der Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Da zahlt sich eine medienwirksam vergebene Spende bei Geschäften nicht nur mit Israel gut aus.

Gleichzeitig mit der Spende haben die fünf die umstrittene „Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ der „International Holocaust Remembrance Alliance“ unterzeichnet. Sie ist deswegen umstritten, weil damit auch Gegner des völkerrechtswidrigen israelischen Militärregimes in Palästina als Antisemiten in Verruf gebracht wurden. So wird deutsche Vergangenheit „bewältigt“ – auf dem Rücken der Palästinenser nämlich!

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"Freigekauft?", UZ vom 5. Februar 2021



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