Friedensratschlag: Bedeutung der Gewerkschaften wächst

Gemeinsam den Rücken stärken

Überrascht und zugleich erfreut zeigte sich die IG-Metallerin und Moderatorin Anne Rieger über die 70 Teilnehmer, die direkt im Anschluss an das kämpferische Auftaktpodium ihren Weg in den Workshop mit der Gewerkschafterin und Linkspartei-Bundesvorstandsmitglied Ulrike Eifler gefunden hatten. „So viel Inte­resse gab es in den vergangenen Jahren noch nie!“, resümierte Rieger gleich zu Beginn.

Deindustrialisierung, massiver Arbeitsplatz- und Sozialabbau, das Schleifen demokratischer Rechte sind Folgen der Hochrüstung zur Kriegstauglichkeit und damit ein Frontalangriff auf die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften. Dass dieser Zusammenhang immer noch künstlich getrennt werde, vor allem von den führenden Köpfen aller Gewerkschaften, sei immer weniger aufrechtzuerhalten. Die Friedensfrage an diesen Brüchen zu entwickeln, sei deshalb die zentrale Aufgabe aller friedensbewegter Gewerkschafter. Dabei sei es wichtig, betonte Eifler, dass die Debatte mit Kollegen kollegial und solidarisch geführt werde. „Argumente, aber auch Irrtum hatten immer ihren Platz“, so Eifler.

Dass diese Irrtümer seitens der Herrschenden bewusst vermittelt werden und bei vielen Kolleginnen und Kollegen verfangen, wurde aus Berichten der Teilnehmer deutlich. Die Bedrohungslüge sorge dafür, dass Aufrüstung zur vorgeblichen Verteidigung als alternativlos gelte. Hinzu komme die existenzielle Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes, die dafür sorge, dass viele Kollegen in die Defensive gingen. Strukturschwäche wirke hier wie ein Schmiermittel für Hochrüstung. Ein Gewerkschafter aus Sachsen berichtete, dass insbesondere ostdeutsche Länder „Hier!“ schrien, wenn es um die Ansiedlung von Rüstungsindustrie gehe.

In die Auseinandersetzungen kommt dennoch Bewegung. Eine Hamburger ver.di-Gewerkschafterin berichtete von der Demonstration gegen die NATO-Kriegsübung „Red Storm Bravo“ Ende September, an der sich Gewerkschaften beteiligten. Auch Beschäftigte von Airbus und Arbeiter des Hamburger Hafens liefen mit. In Stuttgart, berichtete ver.di-Mitglied Konni Lopau, gingen zeitgleich zum Friedensratschlag rund 2.000 Gewerkschafter unter den Mottos „Das System krankt“ und „Kommunen am Limit!“ auf die Straße. Das sei ein Erfolg, auch weil Teile der Demonstration die Friedensfrage sichtbar mit eingebracht hätten. Ein Verdienst des Arbeitskreises Frieden in ver.di Stuttgart.

Solche Berichte zeigten, wie wichtig lokale Initiativen in den Gewerkschaften sind. Die Vernetzung friedenspolitischer Gewerkschafter müsse bundesweit vorangetrieben werden, um sich den Rücken zu stärken, denn „Die Zeiten werden noch härter!“, warnte eine Teilnehmerin. Das GEW-Peacenet, eine bundesweite Vernetzung friedensbewegter Bildungsgewerkschafter, oder die 3. Gewerkschaftskonferenz für den Frieden im Juli in Salzgitter seien gut erprobte Positivbeispiele, die Schule machen müssen. Mittels der Broschüre „Friedenspolitische Gewerkschaftsbeschlüsse“ könne man ebenfalls sehr gut voneinander lernen, stellte die IG-Metallerin Anne Rieger das 28-seitige Papier der DKP-Friedenskommission vom Juli 2025 vor.

Die Friedensbewegung brauche eine starke Gewerkschaftsbewegung, so Eifler, aber die Gewerkschaften bräuchten auch eine starke Friedensbewegung. Nur eine starke gesellschaftliche Kraft wie die Friedensbewegung sorge dafür, dass Kolleginnen und Kollegen sich wieder mehr trauten, in ihren Betrieben und Gremien das Wort zu ergreifen. Es gehe auch darum, dass „wir das politische Mandat der Gewerkschaften wieder viel stärker wahrnehmen“. Dabei solle man sich wieder trauen, die Systemfrage zu stellen und gegenüber Kollegen viel selbstbewusster für eine sozialistische Perspektive einzustehen.

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"Gemeinsam den Rücken stärken", UZ vom 14. November 2025



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