Betr.: Beckmann erklärt den Krieg, UZ vom 13. 5.2016, S. 11

Geschichtsklitterung

Von Dieter Erbe, Halle

Wie kann man einen solchen Artikel eröffnen, indem man darauf verweist, es sei „ein umstrittenes Stück“ und dann nicht hinzufügt, dass die Gegner des Stückes vor allem konservative und reaktionäre Kräfte, selbst ehemalige SS-Angehörige wie Hans Egon Holthusen, waren. Wieso geht man nicht auf die von der marxistischen Literaturkritik aufgemachten Grenzen des Stückes ein, die in einem neuen Mystizismus bestehen, den Borchert von August Strindberg bezog. Von ihm – und aus Henrik Ibsens Peer Gynt – stammt auch die Gestalt des Anderen, die keineswegs „die Gesellschaft“ ist: Ist denn Beckmann nicht die Gesellschaft? Der Andere ist vielmehr, wie er heißt, der Andere zu Beckmann, das andere Ich; dahinter steht zudem die von Borchert beabsichtigte Faust-Mephisto-Konstellation des Guten und des Bösen als Gegenentwurf zu „Faust“: Hinweis darauf, wie im Faschismus die deutschen Traditionen des Humanismus vor nichts bewahrt haben. Wenn man das übersieht, kommt man natürlich zu so abwegigen Wertungen wie der Artikel, dass Beckmann seine Schuld nicht von sich schieben kann. Das will er auch nicht, er will sie zurückgeben, um die eigentlichen Schuldigen zu entlarven. Und des Vornamens wurde er nicht von seiner Frau beraubt, sondern – wie er selbst erklärt – weil er sich als Objekt ausstellen will, so „wie ein Tisch ein Tisch heißt“; er hat seinen Subjektcharakter verloren. Selbst im Sprachlichen irrt sich der Autor: Mittel wie die Alliteration werden eingesetzt, um Hässliches auszustellen und nicht um Semantisches zu poetisieren. Und was soll die Feststellung, das Stück gehöre zum Besten der deutschen Theaterliteratur: Was ist denn das? Da fallen Hunderte Titel ein. Man kann nicht ein Stück gegen seine ausgestellte Anlage interpretieren, auch wenn einem das besser gefällt. Man wird so zum Geschichtsklitterer und nicht glaubwürdig.

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"Geschichtsklitterung", UZ vom 20. Mai 2016



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