Es ist im wahrsten Sinne ein Jahrhundertleben, auf das Erika Baum, von Freunden und Genossen auch liebevoll Jackl Baum genannt, zurückblicken kann. Die Stürme der Zeit hat sie gelebt und wer sie erleben konnte, wird die Stunden mit ihr nicht vergessen. Legendär waren die langen Gesprächsabende bei ihr, in ihrer Wohnung in der Frankfurter Allee. Es gab immer reichlich Kaffee und Tee und für die Hungrigen unter uns jungen Studenten der M/L-Philosophie hatte sie immer einen großen Topf mit Gulaschsuppe auf dem Herd. Als gebürtige Wienerin hat sie die Suppe immer besonders gut gekocht, kannte sie doch auch die ungarische Küche gut. Der Gulasch begleitete die grundsätzlichen Diskussionen mit ihr über Revolutionen, den Kampf der Klassen bei uns und in der Welt. An der Sektion vertrat sie das Fach Wissenschaftlicher Kommunismus. Sie hatte uns viel zu sagen und auch manchen Rat für uns „Heißsporne“ des revolutionären Kampfes, der in der DDR ja zunehmend mit den Mühen der Ebene gepflastert war. Bei der Abfassung mancher Referate stand sie auch mir mit Rat und Tat zur Seite. Sie, die auf den Stufen des Metropol-Theater Berlins sitzend den Vereinigungsparteitag von SPD und KPD verfolgt und aus eigener Erfahrung erlebt hatte, dass auch Kommunisten zu Kompromissen bereit sein müssen, aber dabei niemals die Grundprämissen aus dem Auge verlieren dürfen. Parteiprogramme waren nach ihrer Überzeugung nie in „Stein gemeißelte endgültige Wahrheiten“, aber immer Richtschnur für aktuelles persönliches Handeln. Als wir zum Jahreswechsel 1973/74 ein Flugblatt für die Solidarität mit dem chilenischen Volk produzierten, welches auf der LL-Demonstration im Januar verteilt werden sollte, gab sie uns nicht nur Rückendeckung, sondern nahm uns auch in Schutz vor Verboten durch staatliche Gremien. Ja, so war Jackl Baum, oder wie sie immer wieder betonte, Kommunist sein ist keine leichte Aufgabe, aber es lohne sich zu kämpfen! Herzlichen Glückwunsch, liebe Erika Baum.
Gesprächsabende bei Jackl
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"Gesprächsabende bei Jackl", UZ vom 18. Juli 2025
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