Der Friedensaktivist Peter Federl (76) ist Landeskassenwart des Verbandes der „Freidenker“ in Nordrhein-Westfalen. Er nahm mit 3.000 anderen Menschen an der Friedensdemonstration in Köln teil, die von Polizisten gewaltsam aufgelöst und eingekesselt wurde. UZ sprach mit ihm über seine Erlebnisse.
UZ: Sie haben an der Abschlussdemonstration der Aktionstage von „Rheinmetall Entwaffnen“ am 30. August in Köln teilgenommen. Wie ging der Tag los für Sie?
Peter Federl: Für 13.30 Uhr hatte das Kölner Friedensforum zu der Demonstration unter dem Motto „Auf zur Demo am Antikriegstag! Frieden schaffen – Aufrüstung stoppen!“ aufgerufen. Ich kam um 15 Uhr am Heumarkt an. Zu meinem Erstaunen sah ich, dass der Demonstrationszug noch gar nicht gestartet war. Alle befanden sich noch auf den Heumarkt. Ich bekam mit, dass die Polizei seit über einer Stunde den Abmarsch verhinderte und von Auflagen sprach, die eingehalten werden müssten.
UZ: Wie ging es dann weiter?
Peter Federl: Irgendwann durfte der Demo-Zug losmarschieren. Aber nur ein kurzes Stück, dann wurden weitere Auflagen bekanntgegeben. Die längsseitigen Transparente dürften nicht miteinander verknotet werden und sollten nicht so hoch getragen werden. Es ging weiter und etwas später gab es einen Knall und etwas Qualm. Und das war es schon, vielleicht hatte jemand einen Böller gezündet, das passiert schon mal. Für den Abend war in Köln eine Veranstaltung geplant, die „Kölner Lichter“. Dort gibt es Feuerwerk und Böller zur Volksbelustigung ohne Ende. Aber für die Polizei war das wohl der Anlass, die Demo in eine kleine Seitenstraße zu leiten, um dann vorne und hinten zuzumachen. Ich befand mich im hinteren Teil, fast am Ende des Demozuges, und konnte sehen, wie jede Menge Mannschaftswagen auffuhren, auch Rettungswagen mit Blaulicht.
UZ: Was waren denn zu diesem Zeitpunkt die polizeilichen Ansagen?
Peter Federl: Der Lautsprecherwagen der Polizei war vorne und so konnte ich die meisten Durchsagen nicht verstehen. Im Demo-Zug waren auch zahlreiche Musikanten, die sangen und Instrumente spielten. Die Stimmung war trotz aller Schikanen noch gut. Aber vermutlich gab es vorne ein Gerangel zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Polizisten stellten sich ringsum auf und uns wurde klar, es gibt einen Kessel. Aus der Demonstration wurde die Polizei aufgefordert, die Straße freizumachen. Wir wollten wie geplant zum Chlodwigplatz demonstrieren und eine Abschlusskundgebung durchführen. Das wurde aber nicht gestattet. Einige Demonstranten, vor allem mit Kindern, verließen die Demo. Auch das ging nicht so einfach, wie ich teilweise sehen konnte. Sie mussten wohl um Erlaubnis fragen und Erklärungen abgeben. Aufforderungen, den Toilettengang zu ermöglichen, wurden abgelehnt. Die Demo-Sanitäter verteilten Snacks und Wasser und wurden dabei von Polizisten eskortiert. Eine ärztliche Versorgung durch die Sanitäter wurde teilweise auch behindert.
UZ: Warum haben Sie sich entschieden, bei der Antikriegsdemonstration zu bleiben?

Peter Federl: Da ich nicht mehr der Jüngste bin, fiel es mir immer schwerer zu stehen. Sitzen war nur auf dem Boden möglich. Aber es waren sehr viele junge Leute da, die mir halfen aufzustehen, mir Getränke, Snacks und Obst reichten. Sie fragten mich auch, ob ich körperlich noch kann, was ich dann auch bejahte, obwohl mir die Beine schon sehr weh taten. Auch aus diesem Grund wollte ich diese jungen Menschen nicht im Stich lassen und habe mich vorbehaltlos mit ihnen solidarisiert. Auch die Anwohner auf der Straße waren solidarisch. Aus den Fenstern wurden Müsli-Riegel und auch Wasser ausgegeben. Irgendjemand hatte auch ein Pizza-Taxi bestellt. Und so wurden Lieder gesungen, Instrumente gespielt, bis es der Polizei wohl zu viel wurde.
UZ: Wann eskalierte die Situation mit der massiven Polizeigewalt?
Peter Federl: Etwa um 20 Uhr wurde von der Polizei das Ende der Demo bekanntgegeben und wir sollten uns irgendwie auflösen. Wir machten deutlich, dass wir weiterhin geschlossen zum Chlodwigplatz demonstrieren wollen. Das war dann für die Polizei der Anlass, um den Kessel enger zu schließen. Polizeieinheiten stellten sich auf und fingen an, einzelne Menschen mit Gewalt aus dem Block zu ziehen. Wir haben uns untergehakt, um uns zu schützen. Dennoch wurde der Block immer kleiner und ich konnte mir ausrechnen, wann ich dran war. Ich bin ja ein alter Mann und werde mich natürlich nicht mit zwei oder drei Polizisten rumprügeln. Das sind ausgebildete Kämpfer, die haben Knüppel und Pfefferspray, da bin ich sowieso chancenlos. Aber einfach mitgehen wollte ich auch nicht.
UZ: Wann waren Sie an der Reihe?
Peter Federl: Ich war so nach 0 Uhr dran. Als die Frau, die neben mir untergehakt war, geholt wurde, bekam ich von einem Polizisten einen Schlag ins Gesicht. Dann kamen zwei massive Gestalten und zogen mich aus dem Kessel. Da ich aber auch noch untergehakt war, schlugen sie auf den anderen ein und warfen mich zu Boden. Ich wollte wegkriechen, aber dann packten sie mich, zogen mich ein Stück und stellten mich wieder auf die Füße. Bei dieser Aktion wurde mein Hemd zerrissen und meine Hörgeräte gingen verloren. Das ist auch schmerzlich, denn immerhin haben die 1.000 Euro gekostet. Die Schürfwunde im Gesicht habe ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bemerkt. Dann wurde ich zur Vernehmung geschleppt, Taschen- und Rucksackkontrolle, Leibesvisitation. Angaben zu Sache habe ich natürlich verweigert. Der Beamte erklärte mir, ich bekäme eine Anzeige wegen schweren Landfriedensbruchs. Dann sagte er mir noch, dass ich die Stadt Köln bis Sonntag 17 Uhr nicht verlassen dürfe. Es wurde ein Platzverbot ausgesprochen. Selbst mein Handy dürfe ich erst nach Verlassen des Platzes benutzen, hieß es. Um 2.30 Uhr war ich zu Hause und froh, im Bett zu liegen. Das war ein wirklich traumatischer Tag. Zu den nächsten Demos gegen die Kriegspolitik werde ich trotzdem gehen. Die herrschenden Verhältnisse verlangen danach.
Das Gespräch führte Henning von Stoltzenberg