Zu „Krieg um Tigray“, UZ vom 8. Januar

Imperialismus rausgehalten

Dirk Vogelsang, Deutsch-Eritreische Gesellschaft (DEG), Lilienthal

(…) Die Lage in Tigray ist ein Resultat fortgesetzter imperialistischer Einflussnahme. Obwohl die Bevölkerung der ehemaligen italienischen Kolonie Eritrea zu 98 Prozent für die Unabhängigkeit votierte, wurde das Land auf Betreiben der USA mit Haile Selassies Äthiopien zwangsföderiert, weil „strategische Interessen“ (John F. Dulles) am Roten Meer dies „verlangten“. Die brutale Unterdrückung führte zu einem 30-jährigen Befreiungskampf der EPLF (Eritreische Volksbefreiungsfront), die 1991 unter großen Opfern das äthiopische Mengistu-Regime besiegte. Nur so war der Einzug der TPLF in Addis Abeba möglich. Deren Chef Meles Zenawi diente sich in Geheimverhandlungen den USA als Gralshüter ihrer Interessen am Horn an, während er nach außen noch die „Waffenbrüderschaft“ mit der EPLF beschwor. Mit US-Billigung entfachte die TPLF – nun als EPDRF – von 1998 bis 2000 zwei verlustreiche Kriege gegen das aus westlicher Sicht „sperrige“ Eritrea, wobei die „Hidden agenda“ nichts anderes vorsah als dessen Rückeroberung und damit einer 1.200 km langen Rotmeerküste. Der Krieg endete mit dem Algiers Peace Agreement, das die TPLF völkerrechtswidrig – erneut im Einklang mit den USA – niemals umgesetzt hat, ein „No peace – no war“-Zustand. Äthiopien wurde zum größten Geldempfänger Afrikas, hunderte Millionen versickerten in Tigray. Als die TPLF nach der Wahl Abiys 2018 um ihre Pfründe fürchtete, hat sie weiter eskaliert und im November 2020 das Northern Command überfallen. Zugleich feuerte sie Raketen auf Eritrea ab mit dem Hinweis, dies sei seit den „Präventivkriegen Israels gegen arabische Staaten eine anerkannte Praxis“. Damit (und gefaketen eritreischen Uniformen) sollte der Konflikt internationalisiert werden, um die USA/EU ins Spiel zu bringen. Eritrea hat dies durchschaut und militärisch nicht reagiert. Härtel emphatisiert „ethnische Spannungen“ (ein „FAZ, SZ & Co.“-Klassiker) und behauptet beiläufig, Eritreas „Soldaten morden mit“. Letzteres ist schlicht infam. Ja, die Menschen leiden unermesslich, und die UZ trägt leider dazu bei, den Imperialismus als wahre Ursache rauszuhalten.

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"Imperialismus rausgehalten", UZ vom 22. Januar 2021



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