Ausbildungsstart offenbart chronifizierte Probleme des Systems – unter anderem eine hohe Abbrecherquote

In der Personalmangel

Anfang der Woche warnte die GEW vor einem „Personalkollaps“ im öffentlichen Dienst, rund 360.000 Stellen seien unbesetzt. Mit Blick auf das Bildungssystem wies die GEW auf das Versagen der Politik hin. Es sei seit Jahrzehnten deutlich unterfinanziert – die Folgen seien dramatisch. In allen Bildungsbereichen, insbesondere in Kitas und den Schulen, herrsche ein riesiger Fachkräftemangel.

In anderen Branchen und Bereichen ist die Situation nicht besser. Zum Start des Ausbildungsjahres 2023 klagen Betriebe deutschlandweit wieder einmal über mangelnde Bewerbungen. Dabei gab es für 117.000 junge Menschen, die sich seit Oktober 2022 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet hatten, keinen Ausbildungsplatz, wie der DGB Anfang August feststellte.

Nur noch knapp 19 Prozent der Unternehmen bilden überhaupt aus, gleichzeitig bleiben 228.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. 2,64 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren haben keinen Berufsabschluss. Dazu kommt, dass viele, die eine Ausbildung beginnen, diese nicht erfolgreich abschließen beziehungsweise abbrechen. Dem Berufsbildungsbericht 2023 zufolge bricht über ein Viertel der Auszubildenden vorzeitig ab. Im Jahr 2021 wurden 141.207 Ausbildungsverträge aufgelöst. Die höchste Abbrecherquote weist die Systemgastronomie auf (2021: 50,8 Prozent). Das Hotel- und Gastgewerbe insgesamt ist berüchtigt für schlechte Arbeitsbedingungen, entsprechend hoch ist der Anteil derer, die hier das Handtuch werfen, trotz einer Anhebung der Vergütung (UZ vom 28. Juli).

Laut dem Ausbildungsreport des DGB aus dem Jahr 2022 ist der Großteil der Auszubildenden mit der Ausbildung zufrieden. Doch mehr als ein Viertel der Azubis gaben an, damit unzufrieden zu sein. Zu den genannten Problemen gehören Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten oder schlechte Qualität. Rund ein Drittel der Befragten gaben an, regelmäßig Überstunden leisten zu müssen (32,8 Prozent). 11,6 Prozent dieser Azubis bekommen die Überstunden demnach nicht einmal bezahlt oder zeitlich ausgeglichen. Bei jedem Dritten (34,5 Prozent) fehle ein Ausbildungsplan, der aber gesetzlich vorgeschrieben ist.

Bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung stellt sich die Frage nach der beruflichen Perspektive. Der Fachkräftemangel führt zwar dazu, dass es viele offene Stellen gibt. Aber gibt es auch Betriebe, in denen man dauerhaft arbeiten möchte?
Besonders krass ist die Situation bei Pflegekräften, wo je nach Umfrage knapp die Hälfte oder auch eine klare Mehrheit der Befragten ans Aufhören denkt. Mit „Pflexit“ gibt es sogar einen eigenen Begriff für den Abschied aus dem erlernten Beruf.

Die Stellschrauben sind einfach zu benennen: Verbesserung der Ausbildungsqualität, eine drastische Anhebung der Vergütung, Arbeitszeitverkürzung und eine klare Perspektive auf einen Beruf, in dem gut und gerne gearbeitet werden kann. Stattdessen jammern Unternehmen darüber, dass Jugendliche nicht schon als vollwertige Arbeitskräfte aus den kaputtgesparten und personell unterbesetzten Schulen kommen, sie nach ihrem Sprachgebrauch also nicht „ausbildungsfähig“ seien. Und die Bundesregierung sucht verzweifelt Fachkräfte im Ausland. Sie stellt sich jedoch taub und stumm, wenn es darum geht, mit einem Ausbildungsgesetz jedem Jugendlichen eine qualifizierte Ausbildung zu garantieren, wie zum Beispiel die SDAJ es fordert.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"In der Personalmangel", UZ vom 11. August 2023



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