Israel bombardiert in Syrien auch für die Heimatfront

Innenpolitisches Signal

Der aktuelle syrische Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa strebt ein einheitliches Syrien als Arabische Republik an, mit dem Islam als Eckpfeiler des Staates und einem Muslim als Präsident – so wurde es in der Übergangsverfassung Mitte März festgelegt. Die kurdischen Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) lehnten diese Verfassung ab und weigerten sich, darauf gestützte Maßnahmen umzusetzen.

Ein Abkommen, das kurz zuvor vereinbart worden war und die kurdische Verwaltung in den syrischen Staat integrieren sollte, war damit passé. Ende April reagierte al-Scharaa seinerseits und erklärte: „Wir weisen jeden Versuch von Föderalismus und Selbstverwaltung zurück, solange es dafür keine nationale Einigung gibt.“

Doch die Frage der kurdischen Selbstverwaltung steht im Schatten anderer Vorgänge: Die Verfolgung und Ermordung der Alawiten, die Kämpfe zwischen Dschihadisten und Drusen, die im Süden des Landes leben, die Bombardierung und Besetzung durch Israel und der Machtpoker zwischen Israel und der Türkei.

Für Israel waren die Kämpfe zwischen Milizen und Drusen – einer Religionsgemeinschaft im Süden Syriens, dem Libanon und Israel – willkommener Anlass, in weiteren Angriffen die eigene Macht zu demonstrieren.

Die Bombardierung der unmittelbaren Umgebung des Präsidentenpalastes in Damaskus sollte al-Scharaa einschüchtern. Israels Kriegsminister Israel Katz erklärte dazu, die syrische Regierung dürfe keine Truppen in den Süden des Landes schicken. Al-Scharaas Versuche, die Freundschaft mit Israel auszuweiten, stoßen auf wenig Gegenliebe.

Für die türkische Regierung wiederum waren die Bombenangriffe Israels eine Provokation gegen eigene Inte­ressen. Sowohl über Damaskus als auch im Norden des Landes kam es zu Konfrontationen zwischen türkischen und israelischen Kampfflugzeugen. Sie waren zwar gemildert durch Abkommen zur Konfliktregelung, doch zumindest von türkischer Seite wurden elektronische Kampfmittel aktiviert.

Die Angriffe in Syrien „zum Schutz der Drusen“ sind für Israel zugleich ein innenpolitisches Signal. Die Minderheit der Drusen in Israel, die lange Zeit ein wichtiges Element des Staates und der Armee war, wurde durch das Nationalstaatsgesetz von 2018, das sie zu Bürgern zweiter Klasse machte, dem Staat entfremdet.

Mit den Bombenangriffen in Syrien folgte Israel nun der Aufforderung von Muwaffak Tarif, einem Führer der drusischen Gemeinschaft in Israel. Die Drusen sollten damit wieder mehr integriert werden. Tarif allerdings steht auf der Gehaltsliste des israelischen Staates und forderte nur, was Israel sowieso zu tun plante.

Die Gewalt gegen Minderheiten geht oft von ausländischen Dschihadisten aus, die von den NATO- und Golfstaaten im Kampf gegen Syrien gerufen wurden. Jetzt wollen die USA, dass ihnen höhere militärische Ränge oder staatliche Positionen verwehrt bleiben. Eine Forderung, der die Regierung in Damaskus nur zögerlich nachkommt.

Da die Armee aufgelöst wurde und nach wie vor nicht neu aufgebaut ist, wurde die Aufgabe, für die Sicherheit zu sorgen, in einem Abkommen offiziell an drusische Polizisten und Milizen übergeben. Damit wurden die Kämpfe in Dscharamana eingestellt. In as-Suweida im Südwesten des Landes brachen die Kämpfe aber wieder aus.

Alle Beteiligten betonen nach außen hin immer wieder die Notwendigkeit, die Einheit Syriens zu erhalten. Doch die zentrifugalen Tendenzen nehmen zu. Mit einer Vielzahl von Milizen anstelle einer Armee, mit der Spaltung in eine türkische und eine israelische Inte­ressensphäre droht womöglich ein Auseinanderbrechen des Landes – wie es schon zu Beginn des Krieges von den internationalen Unterstützern der Dschihadisten angestrebt wurde.

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"Innenpolitisches Signal", UZ vom 9. Mai 2025



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