„Israel tötet Babys zum Spaß und ist damit auf dem Weg, zu einem Paria unter den Staaten zu werden.“ Diese Worte von Yair Golan, dem ehemaligen Generalmajor und stellvertretenden Chef des israelischen Generalstabs, erzeugten in Israel einen Tsunami der Ablehnung und Verurteilung.
Der Vorwurf des Antisemitismus und der Unterstützung der Hamas wird auch in Israel überaus achtlos erhoben. Golan übernahm 2024 den Vorsitz des neugegründeten Parteienzusammenschlusses „Die Demokraten“ aus Arbeitspartei und Meretz-Partei. Wegen seines Statements bezeichneten ihn Kritiker nun als Sprachrohr der Hamas. Kommunikationsminister Schlomo Karhi nannte ihn einen Terroristen, der rechtsextreme Minister Itamar Ben Gvir warf Golan sogar „antisemitische Ritualmordlegenden“ vor, ähnlich wie Außenminister Gideon Sa’ar. Verteidigungsminister Israel Katz ordnete an, dass Golan nicht mehr in Uniform auftreten darf und verlangte, dass er keinen Platz im öffentlichen Leben haben dürfe.
In der israelischen Öffentlichkeit treffen die Vorwürfe gegen Golan auf Verständnis. In einer Umfrage des Nachrichtensenders „Kanal 12“ sprachen sich zwar fast zwei Drittel der Befragten für einen Austausch der Geiseln und ein Ende des Krieges aus. Die Mehrheit glaubt auch, dass Benjamin Netanjahu den Krieg führt, um an der Macht zu bleiben. Doch lehnten ebenfalls etwa zwei Drittel der Befragten die Aussagen von Yair Golan ab.
Wo die rechten Minister und ihre Unterstützer von haltlosen Vorwürfen Golans gegen die „moralischste Armee der Welt“ sprechen, geht ein früherer Knesset-Abgeordneter des Likud weiter. „Jedes Kind in Gaza ist der Feind“, erklärte Rechtsaußen Mosche Feiglin auf „Kanal 14“ – ohne einen Sturm der Empörung hervorzurufen.
Zu den Lichtblicken gehören Kriegsgegner, die an der Grenze zu Gaza demonstrieren und Hunderte Reservisten und ehemalige Soldaten, die sich in offenen Briefen gegen den Krieg positionieren. Oder Reservisten wie Hauptmann Ron Feiner, der sich aus moralischen Gründen weigerte, an einem weiteren Einsatz in Gaza teilzunehmen. 20 Tage Militärgefängnis waren die Quittung seiner Vorgesetzten, die härteste Strafe, die bisher gegen einen Reservisten ausgesprochen wurde, der sich der Einberufung widersetzte.
Selbst der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Olmert äußerte vorsichtige Kritik am militärischen Vorgehen Israels – es sei „nahe an Kriegsverbrechen“.
Die Politiker in Europa, die Kritik an israelischer Kriegsführung und Besatzung gerne als Antisemitismus schmähen, geraten jetzt selbst in den Fokus israelischer Vorwürfe.
Die antisemitische und antiisraelische Hetze habe zu den tödlichen Schüssen in Washington auf die beiden Mitarbeiter der israelischen Botschaft geführt. „Diese Hetze wird auch von Führungspersönlichkeiten und Vertretern vieler Länder und internationaler Organisationen, insbesondere aus Europa, betrieben“, sagte Außenminister Sa’ar bei einer Pressekonferenz in Jerusalem.
Ab 9. Mai gab es für zwei Tage einen großen Kongress gegen den Krieg mit Tausenden Teilnehmern – Israelis und Palästinenser. Dutzende Antikriegsgruppen hatten dazu aufgerufen, frühere Minister und aktive Politiker traten auf, selbst der französische Präsident sandte eine Grußbotschaft. Wenig Anklang fand der Vertreter der Partei „Nationale Einheit“ von Benjamin Gantz, der Knesset-Abgeordnete Alon Schuster. Er erwähnte in seinem Vortrag die Zweistaatenlösung mit keinem Wort.
Der Vorsitzende der linken Knesset-Fraktion Chadasch-Ta’al, Ayman Odeh, betonte in seinem Vortrag, nur gemeinsam könnten Palästinenser und Israelis ihre Zukunft aufbauen.