Die 18. Peter-Hacks-Tagung

Kein Fleisch, keine Himbeere

Auch nachdem der europäische Sozialismus vorerst geschlagen war, zog Peter Hacks den Degen gegen den Imperialismus: „Seine Marsautomaten erreichen den Mars nicht. Seine Telegramme benötigen mehr Zeit als seine Briefe. Weltzeitungen schämen sich nicht mehr bei Druckfehlern. In seiner Wurst befindet sich kein Fleisch, in seinen Marmeladen ist keine Himbeere. Das Essen ist so schlecht, daß sich heute schon sagen läßt, der deutsche Mittelstand habe nichts zu essen.“

Mit „‚Eine Sackgasse der sozialen Evolution‘ – Hacks zum Imperialismus“ hat sich die Peter-Hacks-Gesellschaft zu ihrer diesjährigen Tagung einem dezidiert politischen Begriff im Schaffen des Dichters (1928-2003) angenommen, der 1955 von der BRD in die DDR übersiedelte. Hacks plädierte „nicht für engagierte Literatur (…), sondern für nichtengagierte Literatur von engagierten Literaten.“ Der politische Gehalt seines Epochen- und Menschheitsfragen gewidmeten Werks – darunter keine Flugblätter, Pamphlete oder Sonntagsreden, sondern Dramen, Essays, Gedichte und Kinderprosa – ist immens und ein nicht vollends gehobener Schatz.

Die Aufstellung der Referentinnen und Referenten, die am 31. Oktober und 1. November in den Räumen des Vereins Helle Panke in Berlin-Prenzlauer Berg sprechen, summiert im Hacks-Kosmos bekannte und neue Gesichter: Ingar Solty, Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und Podiumsteilnehmer der UZ-Friedenstage im vergangenen Jahr, spricht über Hacks’ „Imperialismuskritik in der neuen Blockkonfrontation“ und eröffnet damit die Begriffsarbeit am Samstagvormittag. Die vertieft der Herausgeber mehrerer Hacks-Bände, Heinz Hamm, mit „Hacks und die Vertreter der ‚reinen Lehre‘“. „Für Hacks war klar, dass der Imperialismus nicht von selbst untergeht, sondern aktiv überwunden werden muss. Hoffnung setzte er auf eine sozialistische Reform, wie sie Ulbricht konzipierte“, heißt es im Ankündigungstext. Weiter: „Doch die Sowjetunion verwarf diese Linie als Revisionismus. Die heutige Linke distanziert sich von Ulbricht und übernimmt zentrale Positionen des Gegners.“ Nach dem Mittag widmet sich Marlon Grohn anhand von Hacks-Stücken „aktuellen Fragen und Irrtümern“ und gibt voraus: „Der Vortrag beleuchtet Hacks’ Imperialismus-Begriff und untersucht davon ausgehend, ob Russland und China heute imperialistisch sind.“

Autorin Bafta Sarbo („Die Diversität der Ausbeutung – Zur Kritik des herrschenden Antirassismus“, 2023) widmet sich im Folgenden dem Aspekt des Kolonialismus bei Hacks als ein Hauptgeschäft des Kapitalismus in seiner Epoche. „Heute ist diese Position Gegenstand der postkolonialen Kritik am Marxismus“, heißt es in der Ankündigung. Sarbos Vorhaben: „Hacks’ Verständnis der historischen Rolle bzw. Mission des Kolonialismus – im Zusammenhang, aber auch in Abgrenzung zu Marx“ zu illuminieren.

Der Nachmittag nimmt sich stärker dem Literarischen als solchem an. Sebastian Kaep spricht über „Form und Konterrevolution – Peter Hacks und die Dramaturgie sprachlich vermittelter Herrschaftsstrukturen“. Misa Harz und Ken Merten schicken sich an, Hacks’ Kollegen und Genossen Ronald M. Schernikau in die Debatte zu holen („»der ausgang ist den ausgang wissen« – Imperialismus und Kunstauftrag bei Peter Hacks und Ronald M. Schernikau). Jürgen Pelzer – sicherlich wieder aus Athen zugeschaltet – widmet sich der Beziehung von Peter Hacks mit dem Hamburger Magazin „Konkret“, in dem er in den 1990ern Lyrik publizierte und dessen Verlag 2001 den Essay „Zur Romantik“ veröffentlichte. Lukas Meisner („Fluch(t) – Die Sintflut heißt Westen“, 2025) stellt „Die Imperialismus- als Gretchenfrage marxistischer Literatur“, ehe Shaswati Mazumdar, Professorin in Neu-Delhi, sich anhand der Hacks-Bearbeitung von Goethes „Pandora“ dem von Hacks als solchen erkannten „Hauptwiderspruch seiner Epoche als den zwischen Imperialismus und Sozialismus“ annimmt.

Die Peter-Hacks-Gesellschaft bittet für den Samstag Teilnehmerinnen und Teilnehmer um Anmeldung. Wer es nicht nach Berlin schafft: Auch dieses Jahr wird es einen Live-Stream geben.

Wie gewohnt wird die Tagung am Freitag mit einer Vorabendveranstaltung eingeleitet: Unter dem Titel „Imperialismus heute: Weltumspannend? – Friedensfähig? – Unbesiegbar?“ diskutieren Marco Blechschmidt (Klasse gegen Klasse), Özlem Demirel (Partei „Die Linke“), Autor Jörg Kronauer, Luca Schneider (KO) und der Stellvertretende DKP-Vorsitzende Björn Blach, moderiert von Detlef Kannapin. Mögen die Herrschenden zittern!

18. Wissenschaftliche Peter-Hacks-Tagung: „Eine Sackgasse der sozialen Evolution“ – Hacks zum Imperialismus
31. Oktober und 1. November 2025
Helle Panke
Kopenhagener Straße 9
10437 Berlin
Weitere Infos und Live-Stream: peter-hacks-gesellschaft.de

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