80 Jahre Befreiung von Krieg und Faschismus – 80 Jahre, in denen das Kapital Zeit hatte, seine Niederlage zu verarbeiten. Der deutsche Imperialismus hat die Phasen der Trauer durchlebt, von der Leugnung über den Zorn und die Versuche, seine Stellung in der Welt neu zu verhandeln. Nun macht er sich bereit für ein neues Kapitel: die Revanche.
Der 8. Mai müsste nach jedem menschlichen und historischen Ermessen im Zeichen der Freude und Dankbarkeit gegenüber den Befreiern stehen. Allen voran der Sowjetunion, die mit 27 Millionen Toten den größten Blutzoll geleistet hat. Doch wo gefeiert werden sollte, wird erneut Hass gesät. Vertreter aus Russland und Belarus wurden landesweit von Gedenkfeiern ausgeschlossen, auch zur offiziellen Gedenkstunde im Bundestag waren die Nachfolger der Befreier ausgeladen worden.
So wird verhindert, dass vom 8. Mai versehentlich Bilder der Völkerverständigung ausgehen könnten, wo doch die Vorbereitung des nächsten Russlandfeldzugs auf der Tagesordnung steht. Da passt es besser, wenn ein betroffener Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alleine „Nie wieder!“ sagt, um fünf Tage später den per Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrecher und israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu treffen.
Wer den Völkermord in Gaza unterstützt, wird am 8. Mai nicht ausgeladen. Kommen dürfen auch die, die hunderte Milliarden in Waffenlieferungen und Aufrüstung stecken, während sie ganz offen nach „Kriegstüchtigkeit“ streben. Niemand muss fernbleiben, nur weil er bis zum letzten Ukrainer kämpfen oder Jugendliche in den Wehrdienst zwingen will. Denn 80 Jahre nach der Befreiung soll uns erneut vermittelt werden, dass Krieg Frieden ist. Und dass es besser wäre, würde die Welt am deutschen Wesen – Pardon, an „westlichen Werten“ – genesen.
Wer die Profite der Monopolkonzerne garantieren und gewerkschaftliche Gegenwehr verhindern will, wer auf rassistische Spaltung setzt und die Ärmsten zu Sündenböcken macht, wer die Heimatfront schließen muss, um militärische Beinfreiheit zu genießen, hat wenig Interesse daran, übermäßige Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Da bietet es sich an, Rechtsentwicklung und Geschichtsvergessenheit auf eine Partei zu projizieren, die den dazu passenden Auftritt pflegt. Wer behauptet, dass der Faschismus allein von Faschisten kommt, kann sich ganz demokratisch jeder Menschenfeindlichkeit hingeben.
Wenn SPD und Union beschließen, rechtswidrige Abschiebungen durchzuführen, dann dient das dem „Kampf gegen rechts“. Wirbt die AfD für dasselbe Programm, dann ist das „rechts“. „Rechts“ ist es, wenn die AfD über „Sozialschmarotzer“ schimpft; „gegen rechts“, wenn Hilfszahlungen gestrichen werden, um arme Menschen in prekäre Beschäftigung zu zwingen. So wird auch der Abbau von demokratischen Rechten und die Einführung neuer Berufsverbote zum Ausdruck des regierungstreuen „Antifaschismus“. Selbst dann, wenn die so geschaffenen Instrumente vor allem gegen Kriegsgegner und Gewerkschafter zum Einsatz kommen. Inhaltlich ist kaum zu unterscheiden, wer in diesem Lande im Recht und wer „rechtsex-trem“ sein soll. Zum Glück gibt es den Geheimdienst mit dem irreführenden Namen „Verfassungsschutz“, der von Medien und Politik behandelt wird, als wäre er ein unabhängiger Sachverständigenrat.
Umso wichtiger ist dieser 8. Mai – als Gelegenheit, der Militarisierung und dem reaktionären Staatsumbau die Maske herunterzureißen. Aber vor allem als Tag, um überall, wo es geht, den Befreiern zu danken und mit ihnen zu feiern.