Nahezu wöchentlich eilen die „Europäer“ zu einem Gipfel, um Kiews Krieg gegen Russland, die Militarisierung der EU und die dafür nötige Mittelbeschaffung zu sichern – nötigenfalls ohne USA. Die USA, die derzeit im Shutdown sind, gegen Venezuela zündeln, über Gaza verhandeln und Kriegsschiffe gegen den Iran auffahren, fehlten in Kopenhagen. Die „Europäer“ waren mit Selenski allein. Hauptthemen waren die „Drohnenabwehr“ und die Verwertung eingefrorenen russischen Vermögens. Hysterische Rufe von Politikern und Medien Westeuropas nach „sofortigem Abschuss“ unbekannter Flugobjekte hatten zuvor den Bevölkerungen (und indirekt den USA) nahegelegt, Europa sei im „hybriden Kriegszustand“.
Nach dem Gipfel postete Kiews BRD-Botschafter Makejew auf X ein Foto von Merz und Selenski. Der Kamera zugewandt, sitzen sie an einem kleinen hölzernen Rundtisch. An der Vorderkante der Holzplatte drängen sich die Rücken und Hinterköpfe vier weiterer Männer. „Echte Partner brauchen keinen langen Tisch dazwischen,“ schrieb Makejew zum Foto. Der ukrainische Telegram-Kanal Resident interpretierte: „Wenn das Büro des Präsidenten solche Fotos veröffentlicht, versteht man sofort, dass es keine normalen Verhandlungen gab, sondern dass die Bankowa (= Amtssitz des Präsidenten) eine Simulation von Effektivität schaffen muss.“ (2. Oktober 2025)
Laut „Financial Times“ vom 2. Oktober gab es in Kopenhagen keine Einigung auf den von Merz unterstützten Vorschlag, eingefrorene Gelder Russlands für Kredite über 140 Milliarden Euro zur Aufrüstung des ukrainischen Militärs zu nutzen. Belgien, wo der größte Teil des Geldes liegt, lehnte ab. Frankreich und Luxemburg sahen juristische Probleme, Italien Probleme mit der Haftung. Die Entscheidung ist verschoben.
Der Vorstoß der EU-Kommission, einen „europäischen Drohnenwall“ zu schaffen, scheiterte ebenfalls. Unterstützt wurde er von östlichen Ländern, die auf einen damit verbundenen Geldzufluss hofften. Die Ukraine als designierter Schrittmacher in der Drohnenproduktion sollte dabei eine prominente Rolle spielen. Doch Merz habe den Plan, das Projekt aus dem EU-Haushalt zu finanzieren, scharf kritisiert und die Frage gestellt, ob die Konzeption eines Drohnenabwehrsystems überhaupt in die Kompetenz der EU-Kommission fällt, schrieben „Politico“ und FAZ (beide am 2. Oktober).
Einen Monat zuvor hatte schon Boris Pistorius eine „Kompetenzüberschreitung“ kritisiert, als Frau von der Leyen „europäische Friedenstruppen“ für die Ukraine ankündigte. Hinter dem Kompetenzgerangel schwelt die Rivalität westeuropäischer „Großmächte“ um die militärische Führungsrolle. Während Franzosen und Briten sich mit der „Friedenstruppen“-Koalition in den Vordergrund spielten, will Deutschland seinen relativen Reichtum zum Aufbau der „stärksten Armee Europas“ nutzen und nicht für anmaßende EU-Projekte verplempern.
Unter der Ergebnislosigkeit litt vor allem Selenski, der ohne neue Geschenke heimkam. Dabei gehen der Ukraine nicht nur Waffen und Soldaten aus, sondern auch das Geld. Im Haushaltsentwurf 2026 klafft ein Loch von 13 Milliarden Euro. Um die Militärgehälter bis Ende 2025 auszahlen zu können, emittierte man Staatsanleihen. Eigentlich wollte Kiew die Mobilisierungsschwäche der ukrainischen Armee mit einer Erhöhung des Solds mildern. Bei seinen Versprechungen und Stimmungsaufhellern hatte Selenski auf mehr Geld aus dem russischen Vermögen gesetzt.
Selenski muss das Militär bei Laune halten. In der Ukraine wächst die Popularität zweier Militärs: des früheren Oberbefehlshabers der Armee, Waleri Saluschnyj, und des Chefs des Militärgeheimdiensts, Kyrylo Budanow. Saluschnyj ist Asow-Freund und Bandera-Fan, Budanow CIA-geschulter Terrorist. Aber anders als Selenski halten sie den Krieg für verloren und plädieren für Verhandlungen, solange von der Ukraine, vor allem von den Streitkräften, noch etwas übrig ist.