Die syrische Armee hat Palmyra zurückerobert

Klares Zeichen

Von Manfred Ziegler

Palmyra ist eines der bedeutendsten nationalen Symbole des modernen Syrien und seiner Geschichte. Es entwickelte sich im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung unter der Herrschaft der Königin Zenobia in wenigen Jahren zu wirtschaftlicher Blüte und politischer Macht. Die Ruinen der Oasenstadt gehören heute zum Weltkulturerbe.

Mitte Mai 2015 griff der IS Palmyra an. Die USA, die damals schon monatelang Ziele in Syrien bombardiert hatten – „um den zu schwächen“, behinderten den Angriff nicht. Es gab heftige Straßenkämpfe zwischen der Armee und IS, die sich über Tage hinzogen. Nachdem einem großen Teil der Einwohner die Flucht in sicheres Gebiet ermöglicht war, musste die Armee am 20. Juni weichen. „Es ist eine Schande, dass die Internationale Gemeinschaft tatenlos zusah, wie der IS Palmyra eroberte“, schrieb eine syrische Zeitung damals.

Zur gleichen Zeit, als der IS Palmyra angriff, besetzte er Hunderte Kilometer entfernt auch die irakische Stadt Ramadi. Der IS war mit modernsten Waffen ausgerüstet, die ihm im Jahr zuvor beim Vormarsch im Irak in die Hände gefallen waren, und war auf dem Höhepunkt seiner militärischen Macht. Die syrische Armee dagegen war durch den jahrelangen Krieg geschwächt und musste sich darauf konzentrieren, die Bevölkerungszentren im Westen des Landes zu schützen. An eine Offensive gegen den IS war damals nicht zu denken.

Mit dem Beginn der der russischen Luftangriffe im September 2015 hat sich die militärische Situation grundlegend geändert. Moderne Waffen, Überwachung mit Drohnen und gezielte Angriffe auf Führungsstrukturen und Logistik (und nicht zuletzt auf die Öltransporte) haben IS, Al-Nusra und ihre Verbündeten geschwächt. Die enge Zusammenarbeit mit der syrischen Armee brachte Ergebnisse. Russische Flugzeuge zerstörten Bunker und schwere Waffen und verhinderten die Ankunft von Verstärkung des IS aus Al-Raqqa und Deir ez-Zor. Die Zusammenarbeit kulminierte in der Befreiung Palmyras. Russische Spezialisten werden dabei helfen, die Sprengsätze und Minen zu entschärfen, die IS angebracht hat.

Neben der symbolischen Bedeutung Palmyras als Wahrzeichen Syriens hat dieser Erfolg eine ganz praktische Bedeutung. Die Stadt liegt an der Kreuzung von Fernstraßen, die Damaskus und Homs mit Deir ez-Zor und Hasaka verbinden. Der IS verlor hier die Kon­trolle und ist in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt; für die syrische Armee wird der Weg geebnet, eine Verbindung mit Deir ez-Zor herzustellen.

Louay Hussein, der ehemalige Vorsitzende der oppositionellen Gruppe „Den Staat aufbauen“, nennt den Erfolg der Armee auf Facebook einen „Sieg über die Opposition, obwohl sie am Kampf nicht beteiligt war“.

Qadri Jamil dagegen begrüßt den Erfolg der Armee in Palmyra. Jamil ist Vertreter der sogenannten „Moskauer“ Opposition und betont, dieser Sieg habe nicht nur militärische, sondern auch geistige und symbolische Bedeutung. Und er hat eine politische Bedeutung. Die russischen Luftangriffe in Syrien haben ein klares Zeichen gesetzt: die Staaten, die den Krieg gegen Syrien betreiben, werden keinen militärischen Erfolg erreichen. Diese Erkenntnis hat die Verhandlungen in Wien und Genf und den Waffenstillstand erst möglich gemacht.

Seit Jahren gibt es in Syrien schwierige Verhandlungen um lokale Waffenstillstände und Versöhnungsinitiativen. Sie werden immer wieder behindert und unterbrochen und es gibt Versuche, sie zum Scheitern zu bringen. Der Waffenstillstand und zugleich die militärischen Erfolge gegen IS, der von jedem Waffenstillstand ausgeschlossen ist, fördern diese Initiativen. So wie jetzt in Hama, wo in 100 Gemeinden Vereinbarungen zwischen Stämmen, religiösen und staatlichen Würdenträgern zur Beilegung von Konflikten abgeschlossen werden.

Nach der Vertreibung des IS aus Palmyra schrieb die syrische Zeitung al-Watan: „Die syrische Armee bringt in einem der bedeutendsten Erfolge des Krieges das Licht zurück nach Palmyra.“

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"Klares Zeichen", UZ vom 8. April 2016



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