Rechtzeitig vor dem „Fest des Friedens“ wurde in den zurückliegenden Tagen der Gabentisch des militaristischen Staatsumbaus reich gedeckt. Flankierend zum neuen „Wehrdienst-Modernisierungsgesetz“, das am Anfang Dezember mit 323 „Ja“- gegen 272 „Nein“-Stimmen durch den Bundestag gewinkt wurde, verabschiedete das Kriegsertüchtigungsparlament auch das Gesetzespaket zur „Stärkung der militärischen Sicherheit in der Bundeswehr“ oder kurz „MAD-Gesetz“.
Die Absicht dahinter ist klar: Mit der vorgesehenen Verpflichtung hunderttausender Rekruten geht die Gefahr einer inneren Zersetzung einher. Ideen von Kriegsdienstverweigerung oder gar Fahnenflucht könnten, so die Befürchtung des schwarz-roten Gesetzgebers, erhebliche Teile der Truppe erfassen, wenn der Marsch gen Osten startet. Ein Sprecher des Innenministeriums warnte bereits die Hauptstadtpresse, „Russland erhöht massiv seine ,hybriden Aktivitäten‘ – von Propaganda über Cyberattacken bis hin zu Sabotageversuchen. Ziel: Misstrauen säen, die Gesellschaft spalten, Institutionen schwächen“. Und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verriet der Presse, wo im Inneren der Feind sitzt: All die, die „russische Narrative“ verbreiten. Daher gelte ab sofort: „Ziel unserer neuen Strategie gegen hybride Bedrohungen ist, herauszufinden, ob ausländische Mächte linksextreme oder anarchistische Gruppen nutzen, um Spionage oder Sabotage zu betreiben.“
Der erste Schritt zur Ausforschung, Entdeckung, Ortung und Neutralisierung wehrkraftzersetzender Gedanken zielt auf die Wehrpflichtigen. Dazu wurden dem Militärischen Abschirmdienst weitreichende neue Kompetenzen verliehen: Ein begrifflich offener Katalog nachrichtendienstlicher Methoden, bestehend aus Beobachtungen, Einsatz von V-Personen (Undercover-Agenten) und „vertrauenswürdigen Individuen“ online und offline, verdeckte IT-Operationen (heimlicher Einbau von Überwachungssoftware), Abhöraktionen bis zur technischen Ortung von Standorten der „Zielobjekte“. Eingeführt wurde zudem die Cyber-Abwehr gegen Angriffe „fremder Mächte“, dazu dürfen dann auch die Daten von Telekommunikationsanbietern, Banken oder Fahrzeugherstellern eingesammelt werden.
Bisher „eigentlich“ ein Inlandsgeheimdienst, darf der MAD zukünftig auch – ohne an der Leine des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu sein – im Ausland agieren. So kann sich die Bundeswehrbrigade in Litauen nun auch über Besuche der olivgrünen Schlapphüte freuen.
Apropos BND: Dessen Milliarden verschlingende Befugnisse waren vor zwei Jahren bereits ausgebaut worden. Aber die tagtäglich medial hochgehetzten „Bedrohungen“ aus Richtung Moskau, angefangen von schleifenden Ankern in der Ostsee, unverschämten Drohnen und böswilligen Satelliten, deren Fangarme unschuldige deutsche Flugobjekte aus deren Umlaufbahn werfen werden, erfordern nun – wie dem kürzlich bekannt gewordenen Entwurf aus dem Kanzleramt zu entnehmen ist – eine „Lizenz zur Sabotage“ für die Auslandsagenten.
Der Dienst soll Sabotageaktionen durchführen können, etwa die Zerstörung oder Beeinträchtigung ausländischer Infrastruktur, Cyberangriffe auf feindliche Netzwerke eingeschlossen. Bisher war dies dem BND untersagt, zumindest offiziell. Was dem MAD lieb ist, soll dem BND demnächst teuer sein: Unter der Überschrift der „offensiven Operationen“ wird die Emanzipation von der Rolle als bloßer Nachrichtenmittler und Hilfsgeselle der US-amerikanischen CIA und des britischen MI-6 vorangetrieben. Jetzt darf er schalten und walten, sofern eine „nachrichtendienstliche Sonderlage“ gegeben ist. Ein vom Kanzleramt bewusst weit gesetzter Begriff und damit flexibel einsetzbar, wenn es politisch geboten ist.
Faktisch bedeutet der Gesetzentwurf, der im Frühsommer des kommenden Jahres – ebenso wie eine Überarbeitung des Verfassungsschutz-Gesetzes – verabschiedet werden soll, dass der BND fortan „hinter feindlichen Linien“ operieren kann. Hier dürfte die Expertise des neuen BND-Chefs Martin Jäger, der seinen Dienst am 15. September angetreten hat, hilfreich gewesen sein. Er war zuvor viele Jahre Botschafter in der Ukraine und wusste schon vor zwei Monaten, dass die deutschen Dienste sich rüsten müssen: „Wir stehen schon heute im Feuer“. Ohne große Fantasie könnte man ergänzen: „… und tragen das Feuer auf das Territorium des Feindes.“
Ganz dringend sollte der BND seinen Internetauftritt im Lichte seiner neuen Aufgaben überarbeiten. Da stehen doch tatsächlich im Kapitel „Karriere/Arbeitswelt“ noch die veralteten Geleitworte: „Ich kann jeder jungen Kollegin und jedem jungen Kollegen nur raten, sich möglichst früh ein Bild von der operativen Praxis zu machen. Die ist auch ohne Explosionen immer noch spannend genug!“ Offenbar nicht.









