Am 8. August 2022 erschoss der Polizist Fabian S. den jungen Geflüchteten Mouhamed Lamine Dramé im Innenhof einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt. Genau drei Jahre nach der Tat haben Familienmitglieder des Opfers, Aktive aus dem Solidaritätskreis Justice4Mouhamed sowie Familienangehörige und Freunde weiterer Opfer tödlicher Polizeigewalt auf dem Kurt-Piehl-Platz unweit des Tatorts an das Leben von Mouhamed Dramé erinnert und einmal mehr Gerechtigkeit für ihn und weitere Opfer der Polizei gefordert.
Etwa 200 Menschen sind gekommen. Mouhameds Bruder Sidy Dramé begrüßt die Anwesenden mit leiser Stimme auf Deutsch, bevor er auf Französisch fortfährt. „Familie Dramé bedankt sich herzlich für eure sehr wichtige Solidarität“, sagt er. Der Weg sei weit und voller Hindernisse, doch „wir wissen, dass wir nicht allein sind“. William Dountio, Sprecher des Solikreises Justice4Mouhamed, erinnert an den langen und gefährlichen Weg Mouhamed Dramés nach Europa. Alles, was Mouhamed sich gewünscht habe, sei ein faires und würdiges Leben für seine Familie und sich.
Ende vergangenen Jahres hatte das Landgericht Dortmund fünf Polizisten freigesprochen, die sich für den tödlichen Einsatz gegen Mouhamed Dramé verantworten mussten. Das Gericht hatte zwar festgestellt, dass der Einsatz von Beginn an rechtswidrig war, den Angeklagten allerdings einen „Erlaubnistatbestandsirrtum“ zugebilligt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund und die Vertreterin der Nebenkläger, Rechtsanwältin Lisa Grüter, haben Revision beantragt beim Bundesgerichtshof. Dessen Entscheidung steht noch aus. Wann sie kommt, ist unklar.
Für den Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer tödlicher Polizeigewalt braucht man einen langen Atem. Mouhameds Brüder Sidy und Lassana Dramé haben das nach dem Urteil des Landgerichts auf schmerzliche Art und Weise gelernt. Mamadou Saliou Diallo kämpft schon seit 20 Jahren für die Aufklärung des Polizeimords an seinem Bruder Oury Jalloh in Dessau. Von seinen Erfahrungen berichtet er an diesem Freitag neben Sidy und Lassana Dramé auf einem Panel. Mit dabei ist Siggi, ein älterer Dortmunder, der mit Nejib Boubaker befreundet war. Der 70-jährige Boubaker war im März im Dortmunder Stadtteil Scharnhorst von Polizisten erschossen worden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, vor Gericht kommt der Fall nicht – obwohl die Angaben der Polizei zu dem Fall nicht stimmen können, glaubt man Angehörigen und Freunden Boubakers. Ali Şirin vom Bündnis „Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich“ moderiert das Panel.
Sidy Dramé fragt er, wie er die letzten drei Jahre erlebt habe. „Wir erinnern uns immer noch daran, wie Mouhamed uns verlassen hat“, erzählt er. Während des Strafprozesses haben Lassana und er sich unwohl gefühlt. „Der Richter hat mit uns nicht geredet, uns keines Blickes gewürdigt.“ Eine Schande sei das, so behandelt zu werden, nachdem man von einem anderen Kontinent angereist sei. Alle Diskutanten betonen, wie wichtig Solidarität von Dritten sei. „Wenn nicht so viele Menschen so solidarisch gewesen wären, würde ich jetzt nicht hier sitzen“, betont Siggi. Neben Lassana und Sidy spüre er, dass er nicht allein sei, sagt Mamadou Diallo. Angehörige von Opfern tödlicher Polizeigewalt sähen sich einem System gegenüber, dass die Wahrheit vertusche und sie selbst belästige. Diallo dankte allen, die ihn seit zwanzig Jahren unterstützen. „Heute sind wir die Opfer. Wir wissen nicht, wer morgen dazu kommt.“ Wie schwer der Kampf gegen Polizeigewalt tatsächlich sei, verstehe nur, wer selber drin stecke. Diallo hat einen Rat für die Anwesenden: Die Familien der Opfer seien immer in den Mittelpunkt zu stellen. Aktivisten sollten auf Augenhöhe mit ihnen zusammenarbeiten.
Diese Lehre hat der Solidaritätskreis Justice4Mouhamed verstanden. „Wir wünschen uns eine langfristige Perspektive in Deutschland für Sidy und Lassana“, hatte Alex vom Solikreis eingangs gesagt. Dafür ist der Solikreis auf Spenden angewiesen.
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