Über die Militarisierung der Diplomatie

Lügen als Basis

Wer lernen möchte, was hybride Kriegführung bedeutet, sollte die Konflikte in Osteuropa und dem Nahen Osten studieren. Die seit mehr als 200 Jahren bestehende angloamerikanische Dominanz geht ihrem Ende entgegen. Die Fähigkeit, Kriege führen und gewinnen zu können, ebenso. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat Washington keinen größeren Krieg dauerhaft gewinnen können. Das Imperium setzt daher verstärkt auf kriegswillige Hilfskräfte wie auf die Faschisten in der Ukraine, oder die Zionisten in Israel. Auch in der Wahl der Mittel haben die USA längst alle Hemmungen hinter sich gelassen, wenn es Skrupel denn je gegeben hat. Der Propaganda­krieg hat mittlerweile entscheidende Bedeutung gewonnen.

Relativ neu ist die kriegstaktische Instrumentalisierung der Diplomatie. Auch hier gibt es Vorläufer. Die Minsker Verträge zum Beispiel, mit denen, laut Merkel und Hollande, der Ukraine Zeit zur Aufrüstung verschafft werden sollte. Ähnlich auch der Modus Operandi beim Drohnenangriff auf die strategische Bomberflotte Russlands und dem israelischen Überfall auf den Iran. In beiden Fällen suggerierte Washington Verhandlungsbereitschaft und stellte einen Deal in Aussicht, der allerdings wegen der US-Verzögerungstaktik nicht erreicht werden konnte. Das Suggerieren einer Vermittlerrolle reichte, um die andere Seite zeitweise in Sicherheit zu wiegen, während die monatelangen Angriffsvorbereitungen in ihr entscheidendes Stadium traten. Klar ist, dass diese Angriffe schon aus informationstechnischen Gründen weder von der Ukraine noch von Israel im Alleingang ausgeführt werden konnten. Koordinierte Planungen und Durchführungen von den Geheimdiensten CIA, MI6, Mossad beziehungsweise SBU müssen unterstellt werden.

Dieses Vorgehen hat Konsequenzen. Zum einen führt der massive Propagandakrieg zu einer immer größeren Distanz von der Realität. Man beginnt seine eigenen Lügen zu glauben und die Lüge zur Basis seines Handelns zu machen. Im Falle des Iran gefährdet es das gesamte Südwestasien-Projekt der USA. Zum anderen setzt die Militarisierung der Diplomatie die internationale Glaubwürdigkeit der USA drastisch herab. Wladimir Putin hat eingeräumt, gegenüber dem Westen „naiv“ gewesen zu sein. Es verstärkt sich nicht nur in Moskau die Auffassung, dass damit nun Schluss sein muss.

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"Lügen als Basis", UZ vom 20. Juni 2025



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