Eltern, Großeltern und Lehrerinnen und Lehrer unterstützten Schulstreiks

Meine Kinder kriegt ihr nicht!

An vielen Orten konnten die Schülerinnen und Schüler am 5. Dezember bei ihren Aktionen gegen die Wehrpflicht auf Unterstützung bauen. Gruppen der Friedensbewegung, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Eltern, Großeltern und Lehrerinnen und Lehrer reihten sich ein in die Demonstrationen. In Berlin sprach Matthew Read, Mitglied der DKP und Vater von zwei Kindern, zu den Jugendlichen. Wir veröffentlichen im Folgenden seine Rede:

Zuallererst: großen Respekt an alle Schülerinnen und Schüler, die heute hierhergekommen sind! Die Zeiten sind gerade wirklich schwierig und bedrückend. Es ist leicht, in Resignation und Hoffnungslosigkeit zu fallen. Aber diese Mobilisierung heute gibt Kraft und Mut! 7.000 junge Berliner und Berlinerinnen sind auf der Straße, um ihre Zukunft zu verteidigen – das ist großartig!

Als ich im Umfeld meiner Kinder für diesen Schulstreik mobilisiert habe, waren die Reaktionen der Eltern gemischt. Einige stimmten entschieden zu, dass die Wehrpflicht nicht eingeführt werden soll. Manche hielten sich eher zurück. Aber es gibt auch andere, die versuchten, das Thema abzutun und sagten Sachen wie: „Ach, das betrifft uns doch nicht direkt.“ Oder: „Es ist ja keine echte Pflicht, man kann sich immer noch verweigern.“ Manche sagen sogar Sachen wie: „Die Wehrpflicht wird unseren Jugendlichen gut tun – endlich lernen sie etwas Disziplin!“

Doch wir reden hier nicht von einem Sommer-Fitnesscamp. Die Wehrpflicht wird nicht eingeführt, um unsere Jugendlichen in irgendeiner Weise zu fördern. Es geht um Krieg. Es geht um Töten. Es geht um das Leben unserer Kinder.

Alle Anzeichen in Deutschland deuten auf einen Krieg hin. Die Regierung erhöht die Militärausgaben. Die zivile Produktion wird auf militärische Produktion umgestellt. Ja, Militärführer in der EU erklären sogar offen, dass „wir bereit sein müssen, unsere Kinder zu verlieren“. Sie verstecken ihre Intentionen gar nicht mehr. Und sie nennen ganz explizit Russland als ihren selbsterklärten Feind, den sie „ruinieren” wollen.

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(Foto: Uwe Bitzel)
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(Foto: Uwe Bitzel)

Es ist mittlerweile auch klar zu erkennen, wer ein Inte­resse an Krieg hat. Mit jeder Eskalation steigt der Aktienkurs von Rheinmetall und den anderen Rüstungskonzernen. Mit jedem Friedensvorschlag hingegen sinkt dieser Kurs. Diese Konzerne wollen keinen Frieden. Sie wollen unterwürfige Jugendliche haben, die ihre Kriegsgeräte bedienen und abfeuern können.

Es gibt ein Argument, das ich besonders geschmacklos finde und es kommt fast immer von alten, reichen Männern in Anzügen. Mit wedelndem Finger belehren sie uns: „Es ist ja Zeit, dass die Jugend dieser Gesellschaft etwas zurückgibt.“

Da kann man sich nur fragen, was gibt dieser Staat unseren Jugendlichen heutzutage denn? Wie sind die Jobaussichten in Deutschland nach drei Jahren Rezession? Wo sind die Jugendzentren, die es früher gab? Warum fallen Schulgebäude buchstäblich auseinander? Wieso verschwindet Sozialarbeit an der Schule? Die Regierung verlangt immer mehr von unseren Kindern und Jugendlichen, während sie völlig versagt, ihrer Pflicht nachzukommen, der Jugend eine hoffnungsvolle Zukunft zu sichern.

Das, was ihr heute hier macht, das ist ein Beitrag zu dieser Gesellschaft – ein äußerst wichtiger Beitrag! Dieser Streik hilft, dass zu machen, was die Bundesregierung nicht macht, nämlich Frieden zu sichern! Und wir Eltern sind euch dafür sehr dankbar.

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(Foto: Björn Blach)
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(Foto: Uwe Bitzel)

Ich muss zum Schluss kurz auf das Video von Verteidigungsminister Boris Pistorius eingehen. Ich weiß nicht, ob ihr es gesehen habt, aber der Herr Minister hat eine Botschaft an euch Streikenden gerichtet und gesagt: „Schön, dass ihr streikt, aber nur weil unsere Bundeswehr eure Rechte verteidigt, könnt ihr Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit genießen.“ Wenn man sich das anhört, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Entschuldigung, Herr Pistorius, wer baut gerade unsere demokratischen Rechte ab? Wer hat in den letzten zwei Jahren unser Recht auf Protest drastisch eingeschränkt? Wer hat die Polizei geschickt, um friedliche Palästina-Aktivisten niederzuschlagen und ihre Wohnungen zu durchsuchen? Wer hat ganze Solidaritätsorganisationen verboten, weil sie eine andere Sichtweise vertreten als die Regierung? Wer versucht gerade, unseren Arbeitstag zu verlängern? Wer kürzt alle unsere Sozialprogramme? Ihre Regierung, Herr Pistorius, führt einen Angriff auf die demokratischen Rechte, die wir hart erkämpft haben! Wir sind die Verteidiger der ­Demokratie, nicht Sie!

Und wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen! Lasst uns dafür sorgen, dass der heutige Streiktag nur der Anfang unseres Kampfes gegen die Wehrpflicht ist! Lasst uns aktiv bleiben und uns weiter organisieren! Nur so können wir den Frieden erzwingen!

Euer Kampf ist unser Kampf!
Rede von ver.di-Vertrauensmann beim Schulstreik in Göttingen

Ich bin Tawfik Lababidi vom ver.di-Vertrauensleutekörper an der Uniklinik. (…) Wir an der Universitätsmedizin Göttingen, ein Krankenhaus der Maximalversorgung, leisten einen gesellschaftlichen Beitrag für die Lebens- und Arbeitsqualität in unserer Region. Meine Kolleginnen und Kollegen, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger und Reinigungskräfte sorgen dafür, dass Tag und Nacht Menschen wieder gesund werden und ein Leben und Sterben in Würde möglich ist.

Wir behandeln auch schwerverletzte ukrainische Soldaten. Sie sind zum Teil mehrere Monate bei uns in Behandlung. Das geschieht weit weg von ihrer Heimat – weil sie dort im Krieg nicht die bestmögliche Behandlung bekommen. Angesichts tausender Verletzter am Tag ist die Amputation das einfachste – so fasste es ein Professor zusammen. Das heißt: Die beste Medizin der Region kann euch im Kriegsfall nicht helfen. Darum gilt es Kriege zu verhindern!

Darum gilt es nicht nur die Wehrpflicht abzulehnen, sondern auch die zunehmenden Ausgaben für Rüstung und Waffen aller Art. Die Bundesregierung hat Milliarden für die Bundeswehr und damit für Waffenhersteller wie Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann locker gemacht.

Dabei fehlt das Geld dringend bei uns. Seit 2020 sind die Lebensmittelpreise um 35 Prozent gestiegen, die Heizkosten um 80 Prozent. Auch wenn die Inflationsrate deutlich darunter liegt, ist sie für die lohnabhängigen Menschen, Arbeiter mit und ohne Arbeit, massiv gestiegen. Also für alle, die über 50 Prozent ihres Einkommens für Miete und Lebensmittel ausgeben.

Wir – die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes – fordern für unsere Tarifrunde lediglich 7 Prozent mehr, aber mindestens 300 Euro. Das sind etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr mehr. Das ist ein Bruchteil der Gewinne der 40 DAX-Unternehmen, ein Bruchteil der vielen Töpfe für Militärs.

Wir sind solidarisch mit dem Schulstreik!
Im Februar werden wir auch streiken. Eure Lehrinnen und Lehrer dürfen als Beamte leider nicht streiken! Seid solidarisch mit dem Streik des Öffentlichen Dienstes für höhere Löhne!

Euer Kampf ist unser Kampf!

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"Meine Kinder kriegt ihr nicht!", UZ vom 12. Dezember 2025



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