Von der Maut zum Grenzschutz: Alexander Dobrindt bleibt der Mann für reaktionäre Nutzlosigkeit

Minister mangelhaft

Sein Mentor und Förderer, der frühere CSU-Chef Horst Seehofer, hielt schon 2013 große Stücke auf ihn: „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, ein Satz, den Seehofer oft und gern in den Folgejahren wiederholte. Es gab auch genug Fast-Untergänge, aus denen der jetzige Bundesinnenminister im letzten Jahrzehnt immer wieder gerettet werden musste.

In seiner Ausgabe vom 31. Juli 2017 präsentierte das „Manager-Magazin“ eine Liste mit dem Titel „Dobrindts größte Desaster“. Aus heutiger Sicht nur ein Zwischenbericht: Das Kraftfahrtbundesamt, das ihm als damaligem Verkehrsminister unterstellt war, soll die Kenntnis von Abgasmanipulationen bei Porsche weggeschwiegen haben. Rücktrittsforderungen nahm Dobrindt mit dem Hinweis, er werde demnächst ohnehin „in die Wirtschaft wechseln“, den Wind aus den Segeln. Daraus wurde nichts, er blieb. Drei Jahre zuvor geriet das von ihm entwickelte Projekt der Pkw-Autobahnmaut für ausländische Nutzer zum Fiasko. Sein Amtsnachfolger Andreas Scheuer, dem 2019 der Europäische Gerichtshof einen Strich durch die Rechnung machte, verursachte folgerichtig durch verfrühte Abschlüsse mit den Betreibern einen Schaden von über 243 Millionen Euro Steuergeld. Seit sechs Jahren „prüfen“ Bundesjuristen vergeblich Regressansprüchen gegen Scheuer, an den Initiator des Coups, Dobrindt, denkt keiner mehr.

Der hatte bereits parallel als amtierender Minister ein zweites Projekt in den Sand gesetzt, das heute fast in Vergessenheit geraten ist. Sein vollmundiges Versprechen vom Januar 2016, dass binnen zwei Jahren ein milliardenschweres Förderprogramm die lückenlose Breitbandversorgung mit schnellem Internet sicherstellen würde – was bis heute nicht geschehen ist.

Seit dem 6. Mai dieses Jahres darf nun Dobrindt als Bundesminister des Innern seine Erfolgsbilanz verbessern. Und Zeit ließ er sich wahrlich nicht. Schon einen Tag nach Amtsantritt schwärmten auf seine Order hin 14.000 Bundespolizisten an die Grenzübergänge aus, zwei Wochen später verstärkt durch 500 Zöllner, um mit „Klarheit, Konsequenz und Kontrolle“ die Einwanderung auf deutsches Territorium zu stoppen. Symbolpolitik pur: Nach einer Umfrage der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unter 2.000 Bundespolizisten gehen mehr als zwei Drittel der Einsatzkräfte davon aus, diese Art von Dienst nicht länger aufrechterhalten zu können, und glauben auch nicht an die ministerielle Verheißung, ein Aufwuchs um weitere 3.000 zusätzliche Beamte stehe demnächst bevor.

Nach der Entscheidung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin am Montag der vergangenen Woche kann möglicherweise die Verstärkung auch zu Hause bleiben. Im 28-seitigen Beschluss fliegen der „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizeidirektion Berlin“, die Trümmer der angestrebten „Migrationswende“ um die Ohren. Wer Asyl begehrt, dem ist der Grenzübertritt zu gestatten, zumindest um abzuklären, welcher EU-Staat das Asylverfahren durchzuführen hat. Weder Paragraf 18, Absatz 2 Asylgesetz (Einreise aus „sicherem Schengen-Staat“) noch der Quasi-Notstand des Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Schutz der inneren Sicherheit“) stünden entgegen.

Den drei Verwaltungsrichtern war die Reichweite ihrer Entscheidung auch klar, hatte doch die zunächst zuständige Einzelrichterin „wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits“ die Sache der Kammer übertragen. Am 7. Juni, dem 55. Geburtstag Dobrindts, hieß es dann aus dem Innenministerium, man wolle alles vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären („Wir werden eine ausreichende Begründung liefern“). Eine trügerische Hoffnung, mit dem EuGH hat Dobrindt ja schon einmal eher schlechte Erfahrungen gemacht.

Derweil hat der nimmermüde Bundesinnenminister an seinem Ehrentag ein weiteres Vorhaben aufs Gleis gesetzt, diesmal kein weiß-blaues, sondern ein schwarz-gelbes. Diese Farbgebung wird nämlich die neue Waffengattung der Bundespolizei aufweisen: Das Distanz-Elektroimpulsgerät (im Polizeijargon: DEIG), landläufig besser bekannt unter dem Namen Taser („Thomas A. Swift’s Electric Rifle“). Endlich sind Beamte nicht mehr nur auf Schlagstock, Reizgas und Schusswaffe angewiesen, sondern dürfen sicher sein, dass sie als „Polizeivollzugsbeamte im Einsatz jederzeit mit Selbstvertrauen handeln können“, wie die Herstellerfirma Axon wirbt. Die Funktionsweise erklärt die Internetseite der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Das Gerät summt bedrohlich laut. Ein grelles Warnlicht scheint dem Angreifer ins Gesicht, sobald die gelb-schwarze Waffe gezogen ist. Wird der Abzug gedrückt, schießen Pfeilelektroden mit Druck aus der Pistole, bohren sich in den Körper des Gegners und legen seine Muskeln lahm“. Je Schuss 50.000 Volt. Bilanz der polizeialltäglichen Einsätze in den USA: 334 Tote in sechs Jahren.

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"Minister mangelhaft", UZ vom 13. Juni 2025



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