Nach den Morden von Hanau: Demonstranten fordern weitreichende Konsequenzen.

Mörderischer Rassismus

Nachdem der Rassist Tobias Rathjen am Mittwoch vergangener Woche in Hanau neun Menschen, seine eigene Mutter und dann sich selbst erschoss, sind in den vergangenen Tagen im gesamten Bundesgebiet mehrere Zehntausende Menschen gegen Neonazis und Rassisten auf die Straße gegangen. Rathjen, der in einer Shisha-Bar und einem Kiosk vor allem kurdisch- und türkischstämmige Menschen ermordet hatte, hatte bereits vor seiner Tat eine Art Manifest im Internet veröffentlicht. Darin fabulierte er, getrieben von seinem rassistischen Wahn, dass Migranten sich in ihrer Historie nicht als „leistungsfähig“ erwiesen hätten. Da es für eine „komplette Ausweisung“ zu spät sei, müssten die entsprechenden Völker „komplett vernichtet werden“, so der Faschist darin weiter.

Antifaschistinnen und Antifaschisten forderten unterdessen weitreichende Konsequenzen aus der mörderischen Tat. So übten sie nicht nur Solidarität mit den Angehörigen der Opfer, sondern vielerorts auch massive Kritik an den Sicherheitsbehörden. Viel zu lange seien in den Behörden selbst rechte Umtriebe geduldet worden, lautete ein erhobener Vorwurf. Tatsächlich reißt die Welle über Enthüllungen über Polizeibeamte, die sich in der extrem rechten Szene tummeln, nicht ab. Nachdem mit Thorsten W. aus Hamm bereits ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Untersuchungshaft sitzt, dem die Unterstützung der jüngst ausgehobenen Terrorzelle, die sich selbst die Bezeichnung „Der harte Kern“ gab, wurden neue Ermittlungen gegen einen aus Hessen stammenden Beamten, der mittlerweile in Berlin tätig ist, laut. Der Beamte soll Mitglied einer Chatgruppe gewesen sein, in der „Gewaltdarstellungen und rechtsextreme Inhalte“ ausgetauscht worden seien. Die Behörden hatten bereits am 7. Februar seine Wohnung durchsucht, da sie wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen den Polizeibeamten ermitteln.

Bisherigen Erkenntnissen zufolge stehen die Ermittlungen im Zusammenhang mit weiteren 15 hessischen Polizeibeamten, bei denen in den letzten Wochen ebenfalls Hausdurchsuchungen stattgefunden hatten. Die Ermittlungen zu rechtsextremen Strukturen innerhalb der hessischen Polizei waren angestoßen worden, da es aus den Reihen der Beamten zu Morddrohungen gegen eine Frankfurter Rechtsanwältin durch den sogenannten „NSU 2.0“ gekommen war.

Als eine weitere Konsequenz aus dem faschistischen Terror von Hanau forderten eine Reihe von Demon­stranten, linken Organisationen und Migrantenverbänden ein schärferes Waffenrecht. Tatsächlich hatte Tobias Rathjen einen Waffenschein, da er als Sportschütze aktiv gewesen war.

Dass die Behörden die von faschistischen Netzwerken ausgehende Gefahr nicht ernst nehmen, wird auch daran deutlich, dass aktuell nur rund 60 Personen aus der Naziszene als sogenannte Gefährder gelten, denen Terroranschläge und gezielte Morde zugetraut werden. Dabei existieren in der Bundesrepublik neben weit mehr als 10.000 Neonazis, die als gewaltbereit gelten, auch knapp 20.000 Personen, die dem Spektrum der „Reichsbürger“ zugerechnet werden. Besagte Szene erkennt die Bundesrepublik nicht als Staat an und gilt als besonders waffenaffin.

Unterdessen hetzt die AfD, die zugleich versucht, sich in der Öffentlichkeit von faschistischem Terror zu distanzieren, weiter. So wusste der hessische AfD-Landtagsabgeordnete Rainer Rahn zu berichten, dass Shisha-Bars „vielen missfallen“ würden. Wenn jemand davon gestört werde, könne dies zu einer solchen Tat beitragen, fabulierte er.

Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, solidarisierte sich mit den Angehörigen und Freunden der Mordopfer. „Ich empfinde aber auch Wut und ich gebe zu, dass sich diese Wut nicht nur gegen den Täter richtet. Meine Wut richtet sich auch gegen viele, die jetzt plötzlich betroffen von der Gefahr von Rechts reden“, sagte er. Jahrzehntelang hätten Geheimdienste und Polizeibehörden die Gefahr verharmlost, wenn nicht rechte Strukturen gedeckt und unterstützt. Jahrzehntelang seien angeblich von Linken angezündete Mülltonnen mit faschistischen Morden gleichgesetzt, Nazimörder hingegen waren immer Einzeltäter. „Ich freue mich über jeden, der jetzt begreift, dass faschistischer Terror konsequent bekämpft werden muss. Ich freue mich über jeden, der versteht, dass Sozialabbau, Rassismus und Nationalismus der Nährboden für Faschismus sind. Ich hoffe, es ist nachvollziehbar, dass ich bei vielen offiziellen Erklärungen, die es jetzt gibt, erst Taten sehen will, bevor ich mir sicher bin, dass es keine Heuchelei ist“, so Köbele.

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"Mörderischer Rassismus", UZ vom 28. Februar 2020



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