Kiew und seine Sponsoren halten an Kriegsverlängerung fest

Moskau setzt auf Friedensgespräche

Am Montag fand in Istanbul die zweite Runde von Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine zur Beendigung des Krieges statt. Zur ersten Runde waren die beiden Delegationen am 16. Mai ebenfalls in Istanbul auf Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammengekommen. Beide Seiten vereinbarten damals unter anderem einen Austausch von jeweils 1.000 Kriegsgefangenen – den bisher größten seit 2022 – und schlossen ihn am 25. Mai ab. Drei Tage später schlug der russische Außenminister Sergej Lawrow das zweite Treffen vor und kündigte die Übergabe eines Memorandums an, das „alle Aspekte einer zuverlässigen Überwindung der Grundursachen der Krise“ zum Gegenstand habe. Kiew hielt seine Teilnahme bis zum Sonntag, dem 1. Juni, offen. Westeuropäische Politiker und Medien ignorierten die Initiative Moskaus oder stellten den Sinn des Treffens in Frage.

Nach dessen Ende herrschte bei ihnen Schweigen. Ein TASS-Kommentator vermutete, das könne mit Erschrecken über den Angriff Kiews am Sonntag auf einen Teil der russischen „atomaren Triade“ zusammenhängen, das heißt auf mehrere Flughäfen und dort stehende Atombomber. Selenski hatte behauptet, dabei sei mehr als ein Drittel der strategischen Bomberflotte Russlands beschädigt oder zerstört worden, insgesamt 41 Flugzeuge. Am Dienstag reduzierte sein Generalstab die Zahl auf zwölf. Russland hatte wiederum die Ukraine am Sonntag mit fast 500 Drohnen angegriffen.

In den 75 Minuten, in denen die Delegationen unter Leitung des türkischen Außenministers Hakan Fidan in einem Luxushotel zusammensaßen, geschah mehr als nur der Austausch von sich ausschließenden Grundsatzpositionen. Die Kiewer Seite hatte ihren „Ukrainisch-Russischen Verhandlungsrahmen“ vorab übergeben. Er enthält Forderungen, die von Selenski seit Wochen erhoben werden: „Vollständiger Waffenstillstand ohne Vorbedingungen“, „Keine Einschränkungen“ bei der „Stationierung von Truppen befreundeter Staaten auf dem Territorium der Ukraine“. Eine NATO-Mitgliedschaft wird vom „Konsens innerhalb der NATO“ abhängig gemacht, ein Beitritt zur EU aber in Aussicht gestellt. Außerdem verlangt Kiew vertrauensbildende Maßnahmen sowie die Vorbereitung eines Gipfeltreffens.

Russland bot in seinem Memorandum zwei Wege zu einem 30-tägigen Waffenstillstand an. Der eine: Rückzug ukrainischer Truppen aus der Donezker und der Lugansker Volksrepublik sowie aus Cherson und Saporischschja. Der andere: Keine westlichen Waffenlieferungen und keine Geheimdiensthilfe für Kiew; kein ausländisches Militär in der Ukraine, Aufhebung des Kriegsrechts, Russisch wieder Amtssprache, Verbot der Verherrlichung des Nazismus. Kiew will dazu in der kommenden Woche Stellung nehmen.

Erneut einigten sich beide Seiten auf einen Gefangenenaustausch von bis zu 1.200 verletzten, kranken und jungen Soldaten bis 25 Jahren. Russland bot an, in der kommenden Woche 6.000 tiefgefrorene Leichen ukrainischer Soldaten zu übergeben und erklärte sich bereit, die Leichen russischer Soldaten zu übernehmen – falls vorhanden. Der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, erhielt von seinem Gegenüber Rustem Umerow eine Liste mit 339 Namen von Kindern, die in die Ukraine zurückkehren sollen. Er bemerkte dazu, dass die russische Seite kürzlich 101 Kinder zurückgebracht habe, die ukrainische aber nur 20. Gleichzeitig inszeniere Kiew zu diesem Thema eine „schmutzige politische Show“. Medinski erinnerte daran, dass Russland zunächst beschuldigt wurde, eine Million Kinder „entführt“ zu haben, dann 200.000, schließlich 20.000 – es sei aber kein Kind entführt worden, vielmehr hätten russische Soldaten viele vor Beschuss gerettet.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan äußerte sich über die zweite Gesprächsrunde sehr positiv. US-Präsident Donald Trump ließ über seine Sprecherin ausrichten, er dränge Putin und Selenski, „an einen Tisch zu kommen“, und sei überdies offen, einer Einladung Erdogans zu einem Treffen mit beiden zu folgen. Am Dienstag erklärte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow in Moskau, die Beilegung des Konflikts sei außerordentlich komplex, die Arbeit an einer möglichen Einigung werde aber fortgesetzt. Ein persönliches Gespräch zwischen Putin, Trump und Selenski in naher Zukunft sei unwahrscheinlich. In der letzten Juni-Dekade wollen beide Delegationen zu einer nächsten Runde zusammenkommen.

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"Moskau setzt auf Friedensgespräche", UZ vom 6. Juni 2025



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