DGB-Jugend positioniert sich gegen Militarisierung und Zwangsdienste

Nein zur Wehrpflicht!

Der Widerstand gegen die neue Wehrpflicht nimmt Fahrt auf. Neben Jugendverbänden wie der SDAJ und Schülervertretungen gibt es vermehrt Stimmen aus den Gewerkschaften gegen den neuen Kriegsdienst. Am 15. September fasste der DGB-Bundesjugendausschuss einen Beschluss unter dem Titel „Wehrpflicht und andere Pflichtdienste verhindern!“, den wir im Folgenden samt Begründung dokumentieren. Infos über die Kampagne der SDAJ und einen Link zur Petition gegen die Wehrpflicht, die bisher knapp 18.000 Menschen unterstützen, gibt es hier.

Die DGB-Jugend bleibt antimilitaristisch. Wir setzen uns gegen jede Militarisierung unserer Gesellschaft ein. Unser Handeln steht im Geiste der Friedensbewegung unter dem Motto „Nie wieder Krieg!“

Krieg und die Vorstellung davon dürfen nicht normalisiert werden. Frieden ist und bleibt das Ziel gewerkschaftlicher Politik und muss das Ziel des Staates sein.

Unsere Haltung bleibt klar: Die DGB-Jugend lehnt eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und des Zivildienstes und die Einführung anderer Pflichtdienste für junge Menschen ab. Bestehende rechtliche Möglichkeiten zum Pflichtdienst oder zur Arbeitspflicht müssen abgeschafft werden. Jede Form der Wehrerfassung lehnen wir ebenfalls ab. Es besteht die reale Gefahr, dass verpflichtende Ersatzdienste zur Umgehung struktureller Probleme im Sozial- und  Pflegebereich genutzt werden. Das unterwandert bestehendes Fachpersonal und darf nicht für die Beschaffung billiger Arbeitskräfte missbraucht werden.

Wir wollen eine Bundeswehr, die Verteidigungsarmee ist. Sie muss ausschließlich die Aufgabe haben, Deutschland und unsere Bündnispartnerinnen zu schützen. Die DGB-Jugend positioniert sich strikt gegen die Präsenz von Bundeswehr und Militär an Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Wir lehnen den Einsatz von Jugendoffizierinnen und allgemein alle Werbeversuche für die Bundeswehr an Schulen strikt ab. Junge Menschen, die dennoch freiwillig als Soldatin in der Bundeswehr dienen möchten, müssen persönlich davon profitieren. Ihre berufliche Ausbildung muss während der Dienstzeit fortgesetzt oder gestärkt werden, beispielsweise durch die Weiterführung von begonnener Ausbildung oder durch Weiterqualifizierung. Die persönliche Entwicklung als kritischer Bürger*in in der Demokratie muss in den Fokus genommen werden. Die Bundeswehr soll ein demokratischer Ort frei von Diskriminierung sein. Soziale und politische Bildung müssen elementarer Teil des Dienstes sein.

Auch ein freiwilliger Wehrdienst belastet insbesondere junge Menschen aus Haushalten mit geringem Einkommen. Für sie scheint der Dienst eine attraktive Alternative zu einer Ausbildung zu sein, die sie sich finanziell nicht leisten können. Doch ohne abgeschlossene Berufsausbildung steigt das Risiko, später in prekäre Beschäftigung zu geraten. So verstärkt selbst ein freiwilliger Dienst soziale Ungleichheit.

Zum Wehrdienst-Modernisierungsgesetz

Obwohl junge Menschen Wehr- und Pflichtdienste ablehnen, hat die Bundesregierung ein konkretes Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, um Wehrdienste vorzubereiten und schnell umsetzen zu können. Anlässlich des vorgelegten „Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes“ stellt die DGB-Jugend darüber hinaus klar: Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, mit Beschluss der Bundesregierung und Zustimmung des Bundestags die Wehrpflicht wieder in Kraft zu setzen. Die Möglichkeit für solch einen weitreichenden Eingriff in die Grundrechte junger Männer darf es nicht geben!

Besonders kritisch ist, dass dies ohne die Beratungs- und Anhörungsrechte durchgeführt werden kann, die bei einem ordentlichen Gesetzgebungsprozess vorgesehen sind. Auch vorbereitende Maßnahmen bereiten am Ende nur eine Wehrpflicht vor. Verpflichtende Fragebögen, Musterungen und jede Form der Wehrerfassung lehnen wir ab.

Begründung

Vor dem Hintergrund aktueller sicherheitspolitischer Bedrohungsszenarien wird ein massiver Aufwuchs der Bundeswehr von vielen Seiten gefordert. In der aktuellen (sic) zeichnet sich heraus, dass eine abgestufte Wehrpflicht nach dem „Schwedischen Modell“ eingeführt werden soll. Dies umfasst eine Erfassung aller Wehrpflichtigen. In Friedenszeiten wird dabei auf Freiwilligkeit beim tatsächlichen Wehrdienst gesetzt, insofern die Zahl der Freiwilligen ausreicht, um die Zielvorgaben zu erreichen. Sollten die Zielvorgaben nicht erreicht werden oder ein Spannungs- oder Verteidigungsfall eintreten, ist eine Wehrpflicht möglich und höchst wahrscheinlich.

Die geplanten Maßnahmen würden etwa 300.000 junge Männer pro Jahrgang betreffen. Vor diesem Hintergrund bietet das kürzlich novellierte „Arbeitssicherstellungsgesetz“ dem Staat im Verteidigungsfall bereits jetzt die Möglichkeit, umfassend in Arbeitsverhältnisse einzugreifen. Das Recht zur Kündigung durch Arbeitnehmende als grundlegendes Merkmal des Arbeitsverhältnisses kann auf der Grundlage außer Kraft gesetzt werden. Durch die Möglichkeit der Verpflichtung in Arbeitsverhältnisse wird das konstituierende Merkmal der Vertragsfreiheit ebenfalls außer Kraft gesetzt. Pflichtdienste sind demnach bereits jetzt im Verteidigungsfall möglich.

Pflichtdienste jeglicher Art sind ein Eingriff in die persönliche Freiheit und Lebensgestaltung, auch wenn sie dem Erhalt gesellschaftlicher Freiheit dienen sollen. Sie müssen als letztes Mittel des Staates zur Aufrechterhaltung unserer Freiheitsrechte begriffen werden. Die (Wieder-)Einführung der Wehrpflicht hat das Ziel, diese Ordnung zu erhalten. Sie dürfen nicht als Normalzustand einer freien Gesellschaft begriffen werden. Eine angenommene, abstrakte Bedrohungslage rechtfertigt nicht, in die persönliche Lebensgestaltung von Millionen junger Menschen einzugreifen. Die DGB-Jugend verfolgt in ihrem politischen Wirken das Ziel, die Arbeits- und Lebensbedingungen zu fördern. Daher ist es geboten, den zu erwartenden Pflichtdienst konstruktiv zu begleiten und auf eine Ausgestaltung im Sinne junger Menschen zu drängen.

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