Für den 24. Juni hatten die „Friedenskoordination Berlin“ (Friko), die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und iranische Friedensfreunde zu einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt aufgerufen. Ihre Forderung: „Für einen sofortigen Waffenstillstand zwischen Israel und Iran!“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verurteilten den Angriffskrieg Israels und der USA gegen den Iran. Sie waren sich einig: Frieden im Mittleren Osten ist nur möglich, wenn der Westen den Großisraelplänen Netanjahus die Unterstützung entzieht!“ Auf der Kundgebung sprach neben weiteren Barbara Majd Amin für die Friko. Wir veröffentlichen im Folgenden ihre Rede:
Liebe Freunde des Friedens, Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Palästinenserinnen und Palästinenser,
liebe Iranerinnen und Iraner,
ich teile mich euch das Entsetzen, die Wut, die Empörung über diesen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Iran. Und ich teile mit euch die große Sorge, dass dieser Krieg Ausmaße der Zerstörung anrichtet wie sie zuvor die Menschen in Libyen, in Afghanistan, im Irak und in Syrien erleiden mussten und wie sie noch immer Tag für Tag die Menschen in Gaza und im Westjordanland erleiden müssen.
Wir verurteilen aufs schärfste die Angriffe Israels und der USA auf den Iran, auf die Millionenstädte und die Menschen, die in ihnen leben, auf die Gasfelder, auf Wissenschaftler und Atomeinrichtungen. Mehr als 600 Menschen sind in Iran diesen Angriffen schon zum Opfer gefallen. Die heutigen Nachrichten von einer Waffenruhe geben vielleicht einen kleinen Hoffnungsschimmer, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wieder einmal ist in diesen Tagen klar geworden, dass sich die USA und Israel nicht um internationale Verträge und das Völkerrecht scheren, wenn es gilt, ihre Interessen durchzusetzen. Für diese Interessen setzen sie die Region bewusst der Gefahr eines Flächenbrandes aus, ja sogar der Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen. Diese Gefahr muss gestoppt werden, jetzt!
Wer in der Region verfügt über Atomwaffen? Israel und – wenn auch weit weg – mittels ihrer Militärstützpunkte die USA. Es ist empörend, dass Israel Atomwaffen hat, und seine Atomwaffen nicht von der Internationalen Atomenergiebehörde kontrollieren lässt. Israel lässt sie nicht kontrollieren, weil es dem Weiterverbreitungsvertrag, dem Atomwaffensperrvertrag, nicht beigetreten ist. Aber Israel verlangt, dass andere Länder, Mitgliedsländer des Vertrages, kontrolliert werden. So einfach macht es sich das. Ich wiederhole: Israel schert sich nicht um internationale Verträge und das Völkerrecht.
Es ist empörend, dass Israel, das selbst über mindestens 100 Atomwaffen verfügt, damit die Region in Schach hält und ein anderes Land – Iran – unter dem Vorwand angreift, Iran wolle sich Atomwaffen anschaffen und sei kurz davor. Nicht nur, dass es dafür überhaupt keine Belege gibt.
Wir sind doch sofort hellwach, wenn die stärkste Militärmacht, die USA, und ihr engster Verbündeter Israel, vor einer unmittelbar drohenden Gefahr durch Massenvernichtungswaffen warnen, um einen Angriffskrieg zu rechtfertigen. Wie war es im Irak? Es gab sie nicht, diese Massenvernichtungswaffen und es drohte auch nicht die Gefahr für den Weltfrieden.
Die aktuelle Gefahr für die Region Mittlerer Osten – und damit für den Weltfrieden – das sind die Großisraelpläne Netanjahus.
Die Kriege Israels gegen Gaza und jetzt gegen den Iran, die Militärschläge gegen Libanon und Syrien, die Besatzung im Westjordanland, in Teilen Libanons und Syriens – sie sind Teil dieser Großisraelpläne.
Frieden im Mittleren Osten wird es erst geben, wenn der Wertewesten diesen Plänen die Unterstützung entzieht. Wir fordern deshalb: Stopp aller Waffenlieferungen an Israel – sofort! Schluss mit der Unterstützung der Kriege Israels gegen seine Nachbarn!
Die Interessen der USA in diesem Konflikt – auch sie liegen klar auf der Hand: Regime-Change in Iran zur Absicherung der US-Hegemonie in Westasien. Und das mit dem Ziel, die eigene Position in der Konfrontation gegen China zu stärken. Auch das ist ein klarer Bruch des Völkerrechts!
Wir in der Friedensbewegung sehen unsere Aufgabe darin, diese geostrategischen Interessen zu analysieren, die Menschen über die verheerenden Folgen ihrer Durchsetzung zu informieren und den Protest in die Öffentlichkeit zu tragen. Das tun wir heute – und das werden wir weiter tun.
Dazu gehört auch, die Politik im eigenen Land, also hier in Deutschland, kritisch zu hinterfragen.
Ich gestehe, mir fehlen die Worte, um mein Entsetzen zu beschreiben, wenn ich höre, was führende Politiker Deutschlands zum Krieg gegen Iran zu sagen haben. Das ist an Dreistigkeit und Heuchelei nicht zu überbieten. Dreist, weil sie das Völkerrecht einfach nicht zur Kenntnis nehmen, und uns sogar einreden wollen, Israels Angriff auf Iran, der diesen Krieg ausgelöst hat, sei Selbstverteidigung. Nein, das war und ist keine Selbstverteidigung – das ist ein unprovozierter Angriff!
Heuchlerisch sind sie, weil sie außer dieser kompletten Verdrehung ihre eigene beschämende Rolle bei den Atomverhandlungen mit Iran und nach der Kündigung durch Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit schönreden. Heuchlerisch, weil Deutschland die Erklärung der IAEO vom 12. Juni unterstützt und mit verabschiedet hat, die sofort zum letzten Vorwand für den Angriff Israels wurde.
Nicht genug, dass Bundeskanzler Merz von der Drecksarbeit redet, die Israel für uns alle erledigt – das allein verdient eine Anzeige wegen Billigung eines Angriffskrieges.
Statt den Stopp der Angriffe zu fordern, verlangen Politiker wie Wadephul, Kiesewetter und andere, Iran solle an den Verhandlungstisch zurückkehren, als sei es nicht gerade von dort weggebombt worden. Der deutsche Außenminister Wadephul wirft Iran vor, rote Linien überschritten zu haben. Man könnte über soviel Verdrehung und Ignoranz nur den Kopf schütteln, wenn die Situation nicht so gefährlich wäre.
Roderich Kiesewetter, Mitglied für die CDU im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, wirft Iran mangelnde Verhandlungsbereitschaft und Verstöße gegen das Atomabkommen vor, er rechtfertigt den Angriff Israels, sieht die Chance zum Regime-Change und redet bereits von einer Nachkriegsordnung, an der unter anderem Deutschland mitwirken soll. Mittelfristig hätten die USA und Israel für mehr Sicherheit in der Region gesorgt. Ist der Mann noch bei Verstand? Auch seine Äußerungen sind Billigung eines Angriffskrieges und eine Anzeige wert.
Franziska Brandtner von den Grünen hat Verständnis für die Angriffe, deren Ziel es gewesen sei, die Atombombe zu verhindern. Ihre einzige Forderung ist die, das Bombardement ziviler Einrichtungen zu stoppen. Den Krieg und die Bombardierung von Atomanlagen verurteilt sie nicht – soweit sind die Grünen gekommen!
Wir empfehlen Franziska Brandtner, die Stellungnahme von El Baradei zu lesen, dem früheren Chef der Internationalen Atomenergiebehörde. Ich zitiere seinen Post auf der Social-Media Plattform X:
„Ein Angriffskrieg gegen den Iran verstößt gegen die UN-Charta und alle Bestimmungen des Völkerrechts. Internationale Kontrollgremien haben keinerlei Beweise für die Existenz eines militärischen Atomprogramms vorgelegt.“
Und weiter schreibt El Baradei: „Ein Krieg, der an den verheerenden Krieg gegen den Irak erinnert, der auf Täuschung basierte und alle Berichte internationaler Kontrollgremien missachtete, die besagten, dass es keine Massenvernichtungswaffen gäbe. Ein Krieg, der verheerende Folgen für die Region und ihre Bevölkerung haben wird und dem die Länder der Region – wie schon im Irakkrieg und derzeit im Gazastreifen – tatenlos zusehen.“
Wir alle sind aufgerufen, diesen Kriegen, dem gegen Iran wie dem gegen Gaza, nicht tatenlos zusehen. Wir protestieren heute und werden das so lange tun, bis diese Kriege gestoppt sind.
Eine Freundin aus dem Iran hat mir vor zwei Tagen auf WhatsApp geschrieben:
لعنت بر جنگ …زنده باد صلح
„Verflucht sei der Krieg – es lebe der Frieden“
Ja, darum sind wir heute hier. Dafür wollen wir mit euch allen weiter kämpfen.