Aus Sicht der Bank gibt es zwei Arten der Kontokündigung. Im Bankerjargon unterscheidet man zwischen „operationalem Debanking“ (Risikomanagement bei Kreditüberziehung oder banktechnisch fragwürdigen Zahlungsvorgängen) oder „gouvernementalem Debanking“ (Verstoß gegen des Geldwäschegesetz, betrügerische Kontomanipulationen oder „andere staatliche Eingriffe“). Im Fall der Kündigung der Konten des DKP-Parteivorstands durch die GLS Bank dürfen wir all das ausschließen, bis auf eine staatliche Einflussnahme. Was sich dahinter verbirgt? Der Begriff ist konturlos, aber die Geschichte des politisch motivierten Debankings liefert ausreichend Anschauungsmaterial.
Ende Mai dieses Jahres hat die Postbank das Geschäftskonto des linken Mehring Verlags ohne Angabe von Gründen gekündigt, im Jahr zuvor entzog die Berliner Sparkasse dem Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ das Konto. Beide Male gab ein politischer Hintergrund den Ausschlag. Aber nicht nur Vereine, sondern auch Privatpersonen sind betroffen. So verlor die Journalistin Aya Velazquez, bekannt vor allem durch die Veröffentlichung der ungeschwärzten RKI-Protokolle, in diesem Jahr ihr Konto bei der GLS Bank.
Rätselhaft bleibt dennoch, was die GLS nach immerhin 40 Jahren gedeihlicher Kontoführung veranlasst hat, die Konten des DKP-Parteivorstands abrupt zu kündigen. Wo Rauch ist, sollte nach Feuer gesucht werden, und die Kündigung ist sicher nicht in der Feierabendlaune eines GLS-Vorstands begründet. In der fälligen Rückschau stößt man auf einen einzigen besonderen Umstand als mögliche Ursache.
In ihrer Presseerklärung schildert die DKP eine von der GLS als „dringend“ adressierte Abfrage hinsichtlich einer Spendenaktion für Kuba aus dem September. Nach vollständiger Übersendung der abgefragten Informationen trat bei der GLS Funkstille ein. Fragen nach dem Grund der Abfrage blieben unbeantwortet. Sind Solidarität mit Kuba oder die Beobachtung der DKP durch den Verfassungsschutz die versteckten Kündigungsgründe?
Nun, das hätte die GLS auch schon früher haben können. Außerdem würde sie sich in einem solchen Fall in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) setzen. Das sagt nämlich, dass bei politischen Parteien allein eine verfassungsfeindliche Zielsetzung – selbst wenn die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei vom Bundesverfassungsgericht festgestellt wird – keinen Grund zur Ungleichbehandlung durch die Bank darstellt. Da die GLS als genossenschaftlich organisierte Bank auch gerichtlich nicht gezwungen werden kann, ihre Gründe preiszugeben und somit überhaupt nachprüfbar zu machen, könnte ihr die Rechtsprechung des BVerwG schlicht egal sein. Also doch eine willkürlich getroffene Augenblicksentscheidung?
Möglicherweise steht der Vorgang zwar mit den Spenden für Kuba und dem Status als Beobachtungsobjekt in Verbindung, hat aber einen Urheber außerhalb der GLS. In Bezug auf Dritte, die zum Beispiel eine Auskunft über Kontobewegungen oder Details zu Spenden abgefragt haben könnten, wird die GLS ihr Schweigen gegenüber der DKP auf Basis der Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (insbesondere dem Auskunftsanspruch in Artikel 15 DSGVO) brechen müssen.
Durch die Kontenkündigung hat die GLS demonstriert, wie schnell und ohne Vorwarnung nicht nur fortschrittliche Einzelpersonen, Verlage und Vereine, sondern auch die Kommunistische Partei von dieser sehr spezifischen Art der politischen Verfolgung bedroht werden kann. Und dabei haben wir noch nicht einmal vom verfassungsrechtlich garantierten Schutz der politischen Parteien (Art 21 GG) geredet.
Zur Rechtslage
Konten kann die Bank kündigen, jedem, jederzeit und ohne Angaben von Gründen. Es gibt noch nicht einmal die ansonsten bei zweiseitigen Verträgen übliche Stufung von außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Gesetzlich geregelt ist das in einer Unterform des Dienstvertrages, dem sogenannten „Zahlungsdienstrahmenvertrag“ im Sinne des Paragrafen 675 h Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ein Recht auf Begründung der Kündigung hätte der Bankkunde nur, wenn das die Bank in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufnimmt, was natürlich freiwillig keine Bank tut. Und auch der hehre Auslegungsgrundsatz des Zivilrechts „Treu und Glauben“ (Paragraf 242 BGB) spielt zum Beispiel in den Fällen jahrzehntelanger Vertragspartnerschaft höchstens eine Rolle für die Länge der Kündigungsfrist.
Einzig bei den Sparkassen gibt es noch das fossile Relikt der Verpflichtung, dem Anfragenden ein Konto zur Verfügung zu stellen. Das stammt noch aus der Zeit, als der bürgerliche Staat ein Bankkonto als Teil der Daseinsvorsorge begriff, natürlich mit dem Hintergedanken, durch ein neues Konto der Bank auch eine profitable Einnahmequelle aus den tagtäglichen Transaktionen ihrer Kunden zu verschaffen.
Privat- und Genossenschaftsbanken hingegen unterliegen keinem Zwang zur Eröffnung eines Kontos, sie können sich nach Gutsherrnart ihre Kundschaft aussuchen. Ist das Gebot, Bankleistungen für jedermann zur Verfügung stellen zu müssen, bei deutschen Kreditinstituten folglich eher die Ausnahme, besteht aber für die, die auf ein Konto angewiesen sind, sehr wohl ein Kontrahierungszwang (die Pflicht, einen Vertrag abzuschließen) mit den Banken.
Seitdem die Zeiten der freitäglichen Lohntüte vorbei sind, geht ohne Girokonto buchstäblich nichts mehr und ohne Debitkarte kann man demnächst nicht einmal mehr Fahrkarten lösen. ÖPNV und Deutsche Bahn räumen derzeit ihre bargeldfähigen Automaten ab. Wer weder Konto noch Karte hat, ist zudem sozial gebrandmarkt. Die Kontoinhaber ihrerseits unterliegen ständiger Durchleuchtung. Durch die 24-Stunden-Online-Verbindung zu den Scoringagenturen und Schufa-Stellen bleibt keine Kontoüberziehung oder Kreditanfrage ohne Folge. Wer zur Sicherung des finanziellen Überlebens zu weit in der Negativskala nach unten rutscht, fliegt raus und kriegt kein neues Konto mehr.









